Drei Wochen Kunst und Kultur im Herzen Europas Konzert, Theater, Tanz, Musiktheater, Film, Jazz, Ausstellung, Gespräch, Literatur
Mit 31 Veranstaltungen im Hauptprogramm geht das Lausitz Festival vom 24. August bis 14. September 2025 in seine sechste Saison. Die Vorstellungen verteilen sich auf 20 Produktionen, die zu gleichen Teilen in Südbrandenburg und Ostsachsen zu erleben sind. Die Hälfte davon entsteht exklusiv fürs Festival: Theater, Musiktheater, Konzerte, Kunst, szenische Lesungen, Literatur und eine Reihe mit philosophischen Gesprächen.
Unser Festival-Programm wird in diesem Jahr begleitet vom Inspirationswort unsbewusst. Es trägt den Gedanken des anderselbst weiter, der das Programm des Vorjahrs wie ein Wasserzeichen durchzog.
Vom Ich im anderen und dem Anderen in mir geht es in diesem Jahr also um das Wir – der Menschen. Und damit um uns.
Ein musikalisch-poetischer Theaterabend nach Sonetten von William Shakespeare
Uraufführung
Shakespeares Sonette gelten als ein Höhepunkt der Renaissance-Dichtung und der europäischen Lyrik überhaupt. Sie stehen künstlerisch im Rang der Dramen des Dichters, die von je her einen Schwerpunkt der Theaterproduktion des Lausitz Festivals ausmachen. Die 154 lyrischen Meisterwerke des Engländers wurden als Zyklus im Jahre 1609 veröffentlicht. In ihnen wendet sich ein Sprecher an einen jungen Mann und eine geheimnisvolle, dunkle Dame. In diesem Dreieck des textuell-sexuellen Begehrens kreisen alle Gedichte um Grundthemen menschlichen Daseins – Liebe, Schönheit, Vergänglichkeit, Tod –, und entfalten im intimen lyrischen Dialog zwischen Ich und Du ein vielstimmiges gemeinsames Wir.
Die Theatralisierung der Shakespeares-Sonette hat Tradition; sie wird bei der Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals fortgeschrieben. Denn die Gedichte können als dramatische Vignetten aufgefasst und in Szene gesetzt werden, wendet sich doch in ihnen ein Sprecher an eine:n Adressat:in und evoziert damit ein potenziell dramatisches Geschehen. Und auch wenn ein Gegenüber nicht vernehmbar ist, scheint die lyrische Rede doch immer Antwort auf eine unhörbare Äußerung zu sein oder den Anlass für eine darauffolgende Erwiderung zu liefern. In jedem Falle ist der Raum, den Shakespeares Texte eröffnen, ein dialogischer Raum. Dessen Leerstellen erwecken und befeuern unsere bildliche und szenische Fantasie. Insofern liegt die Verwandlung des lyrischen Sprechens in ein dramatisches Sprechen nahe; das Lesen oder Vorlesen eines Gedichts wird in theatralisches Geschehen transformiert.
Der österreichische Theaterkünstler Michael Sturminger, der als Regisseur und Autor in allen Bühnengenres zuhause ist, bringt zur Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals Shakespeares Poesie mit der Schönheit der stillgelegten Brikettfabrik Louise in einen lebendigen Dialog. Er schickt das Publikum auf einen szenisch-musikalischen Parcours durch Innen- und Außenwelten von Sprach- und Kohlestaubverdichtungen und lässt die Zuschauer:innen in Antlitz und Eingeweide von Vers- und Industriearchitektur blicken.
Fortbestand durch Verwandlung – wenn man so will, finden die alte Brikettfabrik und Shakespeares lyrisch-monodramatischen Miniaturen darin einen gemeinsamen Nenner. Wie die Fabrik ihre aktive Zeit lange hinter sich hat, sind auch die geliebten und begehrten Adressat:innen der Sonette unweigerlich der Vergänglichkeit unterworfen. Und wie die eine kraft ihrer Transformation in ein Industriemuseum und einen Austragungsort kultureller Veranstaltungen neu und anders aufblüht und fortbesteht, erwachen die in den Sonetten angesprochenen Geliebten eben durch Shakespeares Dichtung und deren theatralische Vergegenwärtigung zu neuem, ewigem Leben. So heißt es etwa im 18. Sonett »Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?«:
» […] Doch soll dein ewger Sommer nicht ermatten,
Noch alles Schöne, das du hast, vergehn,
Noch wandern du in Todes dunklem Schatten
Wenn du in ewgem Vers wirst fortbestehn
Solang, wer atmet, Augen hat zu lesen
Solang lebt dies und in ihm lebt dein Wesen.«
In dieser Korrespondenz wird die Brikettfabrik »Louise« zur sinnlich-sinnfälligen Bühne für eine Inszenierung der Shakespeare-Sonette.
Mitwirkende
Schauspiel/Gesang/Performance/Instrumente: Wojo van Brouwer, Claudia Renner, Rino Murakami
sowie, aus dem Max Reinhardt Seminar Wien: Crispin Hausmann, Felix Künzli, Jan Henri Müller, Leonie Pum, Klaudia Sobota, Flo Sohn, Leonard Tondorf, Sarah Wockenfuß
Bühne/Licht: Paul Sturminger, Manuel Biedermann
Elektronik Soundtrack: Rino Murakami
Kostüme: Marie Sturminger, Nina Samadi
Dramaturgie: Alexandra Althoff
Konzept und Regie: Michael Sturminger
Eine Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar Wien und dem Salzburg Global Seminar Schloss Leopoldskron
Ermöglicht durch die Sparkassenstiftung »Zukunft Elbe-Elster-Land«
Termine
So 24.8.2025, 19:00 | Uraufführung | Ticket
Mo 25.8.2025, 19:00 | Ticket
Sa 6.9.2025, 19:00 | Ticketund weitere Termine
»Self-Portrait as a Coffee Pot« lautet der skurril anmutende Titel einer Kabinettausstellung im Dieselkraftwerk Cottbus, deren Kern aus einer neun Episoden umfassenden Filmreihe des südafrikanischen Künstlers William Kentridge besteht.
Die filmischen Collagen setzen sich aus Kohle- und Pastellzeichnungen, die teilweise animiert sind, aus gefilmten, wie lebendig gewordenen Objekten und Assemblagen sowie aus Atelieraufnahmen zusammen. Kentridge legt hier den Prozess des Kunstschaffens, aber auch des Reflektierens von Kunst und Kunstmachen im Verhältnis zu gesellschaftlichen Realitäten offen. Während der Coronapandemie entstanden, bilden die Kurzfilme eine nichtlineare (Selbst-)Erzählung. Ihr Thema ist das Subjekt des Künstlers, seine künstlerische Praxis und das Atelier als Produktionsort, der zugleich auch als Wahrnehmungsapparat von Wirklichkeiten dient. Mal sachlich, mal leicht melancholisch, mal von subtilem Humor und (Selbst-)Ironie durchzogen, bezieht der Künstler die Betrachter in sein Nachdenken über Inhalte, Formen, Wirkmächtigkeit, Bezugssysteme und vor allem über die Sinnhaftigkeit von Kunst als welthaltiger Arbeit ein. Die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem, Individuellem, Persönlichem und Kollektivem hat er dabei sorgfältig verwischt. Zugleich offeriert Kentridge auch immer einen Möglichkeitsraum der Distanzierung und des Perspektivwechsels.
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Ausstellung
Risse im Schatten oder die (Un)gewissheiten der Erinnerung
Micha Brendel, Johannes Heisig, Sabine Herrmann, William Kentridge, Klaus Killisch u. a.
Die Ausstellung versammelt poetische Auseinandersetzungen mit künstlerischen (Bild-)Erzählungen von individuellen und kollektiven Geschichten. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei der aus expressiven Kohlezeichnungen bestehende Film »Felix in Exile« (1994) von William Kentridge ein.
Erzählt wird die Geschichte des im Pariser Exil lebenden Felix und der Landvermesserin Nandi. Die beiden stammen aus unterschiedlichen Kulturen, verschmelzen aber ebenso miteinander wie ihre Erinnerungen an die gemeinsame Heimat, deren wechselvolle Geschichte sowie deren Einschreibungen in die Landschaft.
Der zeichnerische Gestus als Erzählform findet seinen Widerhall in großformatigen Malereien des Zyklus »Die Krähe« (2011) von Johannes Heisig. Sie gehen auf Gedichte des britischen Schriftstellers Ted Hughes zurück und zeugen vom Ringen mit Schuld und Verzweiflung, auch mit Einsamkeit und Zweisamkeit und stellen die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz.
Verschiedene Schichtungs- und Bearbeitungstechniken kennzeichnen die gestischen Malereien von Sabine Herrmann, die von Andeutungen grafischer Fragmente durchzogen sind. Figurative Konstellationen, eher als Schattenwürfe angelegt denn als Körper in großformatigen Bildräumen, reflektieren das empfindliche Verhältnis zwischen individueller Identität (Identita), Imaginationsraum sowie dem Spannungsfeld innerer und äußerer Wirklichkeiten.
Klaus Killischs Porträts namenloser, gesichts- und zeitloser Raucher, die schematisiert und farbreduziert in diffus-monochromen Bildräumen zu schweben scheinen, fungieren als stille Zeugen oder Beobachter.
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Ausstellung
Blickfänge – Momentaufnahmen im Lausitz Festival
Nach den Etappen in Finsterwalde, Görlitz und Zittau setzt die Wanderausstellung –»Blickfänge – Momentaufnahmen im Lausitz Festival« ihre Reise fort. Ab Ende August ist sie im Neuen Rathaus in Cottbus/Chóśebuz zu sehen.
Die umfangreiche Ausstellung präsentiert Fotografien, die das europäische Kunstfestival seit 2020 dokumentieren. Künstlerische Höhepunkte und aufregende Inszenierungen werden ebenso sichtbar gemacht wie die Menschen und Orte in der Lausitz. Ein beeindruckender fotografischer Bilderrausch fängt die Vielfalt des Festivals und künstlerisch-kreative Momente ein. Stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen lassen Orte und Spielstätten in der Lausitz ganz neu betrachten – von historischen Schloss- und Parkanlagen bis zu Filmtheatern, Industriearealen und Sakralbauten.
In den Übersetzungen von Christoph Martin Wieland und Frank Günther in einer Fassung von Marcel Kohler
»Othello«, Shakespeares dramatisches Meisterwerk über zerstörerische Wut und tödliche Eifersucht, und »Die Fremden«, ein erst seit wenigen Jahren dem englischen Dramatiker zugeordneter Text, bilden die Grundlage für ein immersives Stationendrama in der ehemaligen Glasfabrik Telux in Weißwasser. Regie führt Marcel Kohler, der auch die Textfassung verantwortet. Das Stück, bei dem u. a. Götz Schubert, Linn Reusse, Leonhard Burkhardt und der Stadtchor Weißwasser e.V. mitwirken, wurde beim Lausitz Festival 2024 aus der Taufe gehoben und entwickelte sich aus dem Stand zum Publikumsrenner. Auch die Kritik zeigte sich höchst angetan. Auf sehr positive Rezensionen folgte gegen Jahresende die Nennung der Produktion in einer Top-Ten-Liste der Tageszeitung »Die Welt« über die besten Inszenierungen des Theaterjahrs 2025 an ungewöhnlichen Orten.
Zum Stück: Schon die Ausgangslage ist verwickelt. Venezianer und Türken, westliche Wirtschaftsmacht und Militärmacht aus dem Osten, streiten um das heute geteilte Zypern. Jago ist nicht befördert worden und initiiert als Vergeltung für die durch General Othello erlittene Herabsetzung eine Intrige, die dem Befehlshaber der venezianischen Flotte weismacht, seine Frau Desdemona würde ihn mit seinem Günstling betrügen. Enttäuschtes Verlangen und Verlustängste versetzen die Figuren dieses Stückes in Rage. Wut und Begehren, beides mächtige Triebfedern im Umgang miteinander und nicht nur in der Lausitz vertraute Geschichtskräfte, setzen ein verhängnisvolles Spiel in Gang, bei dem es am Ende nur Verlierer gibt.
Marcel Kohler und sein Team interessieren sich für den »Fall Othello«, die damit verbundenen widersprüchlichen Wahrheiten und wie er zu verschiedenen Zwecken instrumentalisiert wird. Dabei wird auch die Danner-Halle des Kulturzentrums Telux – in den letzten Jahren wiederholt Spielstätte viel beachteter Shakespeare-Aufführungen des Lausitz Festivals – zur Akteurin: Das in Gruppen geteilte Publikum erlebt die Othello-Geschichte in der ehemaligen Glasfabrik an verschiedenen Stationen, in unterschiedlicher Reihenfolge und aus verschiedenen Perspektiven. Erst nach und nach enthüllt sich so ein Gesamtbild des Dramas, bis schließlich alle wieder zusammenfinden und mit den eigenen Begierden und Gefährdungen konfrontiert werden. Nach umjubelten Aufführungen im Jahre 2024 steht 2025 die Wiederaufnahme mit vier Aufführungen am selben Ort auf dem Festivalprogramm.
Shakespeareowe mišterske dźěło wo ničerskej njemdrosći a smjertnej žarliwosći
Shakespeares Meisterwerk über zerstörerische Wut und tödliche Eifersucht
Mitwirkende:
Schauspiel (Othello): Leonard Burkhardt
Schauspiel (Brabantia): Sina Kießling
Schauspiel (Emilia): Dagna Litzenberger Vinet
Schauspiel (Jago): Götz Schubert
Schauspiel (Desdemona): Linn Reusse
Chor: Stadtchor Weißwasser e.V.
Regie: Marcel Kohler
Bühne und Kostüme: Torsten Köpf
Musik: Christoph Bernewitz
Chorleitung: Lars Deke
Video: Linn Reusse
Licht: Henning Streck
Dramaturgie: Michael Höppner
Termine
Do 28.8.2025, 19:00 | Ticket
Fr 29.8.2025, 19:00 | Ticket
Sa 30.8.2025, 19:00 | Ticketund weitere Termine
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Gespräch
Lausitz Labor
Drei Tage Philosophie im Lausitz Festival
Die diesjährige Ausgabe des Lausitz Labors nimmt sich vier Produktionen des Festivals als Ausgangspunkte für Gespräche und Reflexion: »Sonettfabrik«, »Othello / Die Fremden«, »HERE«, und »Müller & Müller«. Anhand der Produktionen und des Inspirationsworts »unsbewusst« wird die Frage nach den Herausforderungen und gleichzeitig möglichen Freiheiten einer bewussten Gemeinschaft der vielen erörtert.
29. August: Lausitz Labor #1
11.30 Uhr: Begrüßung
12.30 Uhr: Heinz Bude - Ich und Wir: Zur Dialektik des gesellschaftlichen Zusammenhangs
15.00 Uhr: Isolde Charim, Jan Völker - Politische Affekte im Kapitalismus: Zorn, Wut, Ressentiment
30. August: Lausitz Labor #2
10.00 Uhr: Klaus Theweleit, Johannes Lehmann - Krieg, Nachkrieg, Traumata
15.00 Uhr: Sandra Richter, Monika Rinck - Die Sprache der Lyrik: Selbstbezug und Weltwahrnehmung
31. August: Lausitz Labor #3
10.00 Uhr: »HERE«: Ein Tanz-Essay über Raum und Zeit
11.30 Uhr: Maria Kuberg, Lea Prix, Katrin Trüstedt - Wer darf sprechen? Wie kann man sprechen?
Kuration und Moderationen: Christoph Menke, Christiane Voss, Lars Dreiucker, Fulvia Modica
Termine
Fr 29.8.2025, 11:30 | Eintritt frei! | Zum Angebot
Sa 30.8.2025, 10:00 | Eintritt frei! | Zum Angebot
So 31.8.2025, 10:00 | Eintritt frei! | Zum Angebot
Szenische Lesung nach dem gleichnamigen Roman von Juli Zeh und Simon Urban
Vor zwanzig Jahren waren sie ausgezogen aus ihrer Studenten-WG, um Richtung Zukunft durchzustarten. Theresa übernahm den väterlichen Bauernhof im Brandenburgischen; Stefan heuerte bei einer großen Hamburger Wochenzeitung an und stieg zum Ressortleiter auf, die nächsten Karriereschritte unmittelbar vor Augen. Ein Zufall lässt die Freunde von einst unvorbereitet aufeinandertreffen. Die erste Wiedersehensfreude verdüstert sich zu einer explosiven Stimmung, führt aber zu einem anschließenden hochemotionalen elektronischen Briefwechsel zwischen den beiden.
Der Roman »Zwischen Welten« (Mjazy swětami), gemeinsam verfasst von Juli Zeh und Simon Urban, schildert exemplarisch und nicht ohne Humor, wie divergierende biografische und berufliche Entwicklungen zwei ehemals Unzertrennliche auf verschiedene Seiten einer Barrikade geraten lassen. Zunächst beschließen Theresa und Stefan, sich schreibend neu kennenzulernen und erzählen einander in Mails und Messages von ihren Alltagskämpfen. Stefan ficht die seinen als engagierter, umweltbewusster Kulturjournalist mit Stift und Computertastatur aus, Theresa dagegen, Biobäuerin und Mutter, betrachtet die Fragen der Klimapolitik aus der Perspektive des Kuhstalls und vom Sitz ihres Traktors aus. Obwohl die gegenseitige Zuneigung unverändert besteht, radikalisieren sich ihre kontroversen Positionen. Die Beziehung steht auf der Kippe; es sei denn, man verändert die Koordinaten, verlässt das Spielfeld und auch als starr empfundene Systeme.
In der Tradition des klassischen Briefromans sezieren Zeh und Urban mit analytischer Präzision und Empathie für die Kontrahenten zugleich die Gemütslage eines Großteils der Bevölkerung in unserem Land. So detailreich wie umfassend machen sie die Ursachen sichtbar für eine politische Lagerbildung, die sich in zunehmender Ideologisierung und Unversöhnlichkeit äußert. Und sie verschweigen nicht, wer am Ende die Rechnung zahlt.
Juli Zeh lebt seit 30 Jahren unter anderem in Leipzig und Brandenburg und kennt die alltäglichen Veränderungen innerhalb der Gesellschaft und in der politischen Debattenkultur aus beiden deutschen Perspektiven. Bereits in ihrem Roman »Unterleuten« (2016), der in exquisiter Besetzung vom ZDF verfilmt wurde, und »Über Menschen« (2021) schrieb Juli Zeh über Themen aus dem ländlichen Brandenburg. »Zwischen Welten« (2023) entstand gemeinsam mit Simon Urban, einem erfolgreichen Autor von Romanen und Arbeiten für Filme.
Mit zwei Mitgliedern aus dem Ensemble des Staatstheaters Cottbus erarbeitet dessen neuer Intendant, der Regisseur Hasko Weber, exklusiv fürs Lausitz Festival eine szenische Lesung des hochaktuellen Gesellschaftsromans.
Mitwirkende
Lesung: Ariadne Pabst und Amadeus Gollner
Szenische Einrichtung: Hasko Weber
Textfassung und Moderation des Podiumsgespräches: Heike Merten-Hommel
Mit ihren vielbeachteten Soloalben und Live-Programmen »Schumann Kaleidoskop« und »Resonanzen« hat sich die 1995 in Plauen (Sachsen) geborene und aufgewachsene Pianistin Johanna Summer einen eigenen musikalischen Kosmos erspielt: freie Improvisation, ausgehend von klassischen Klavierwerken. Dieser Ansatz begeistert nicht nur das Publikum, sondern auch viele ihrer Pianisten-Kolleg:innen. So lud etwa Igor Levit sie in den beiden vergangenen Jahren zu dem von ihm kuratierten Klavierfest des Lucerne Festivals ein, wo Summer solo und im Duo an zwei Flügeln mit ihm auftrat.
Ihr Programm »Dialoge«, das im Herbst auf Schallplatte erscheint, führt das Konzept des gemeinsamen Erforschens und Weitererzählens klassischer Werke im Austausch mit nicht improvisierenden Interpreten fort. In der Kulturweberei Finsterwalde trifft Johanna Summer auf einen ihrer bevorzugten Partner, den US-Amerikaner Kit Armstrong. Er war einer der letzten Meisterschüler der Pianistenlegende Alfred Brendel und ist mittlerweile selbst einer der Big Names unter den Konzertpianisten der jungen Generation.
Mitwirkende
Klavier: Johanna Summer
Klavier: Kit Armstrong
Inklusive Theatervorstellung »Othello / Die Fremden«
Auf Lausitzer Spurensuche geht es mit dem »Erbe der Lausitz« (UNESCO 5), ein Gemeinschaftsprojekt der vier Lausitzer UNESCO-Stätten und der Domowina als Vertreterin der Sorben/Wenden. Im Bus geht es von Weißwasser/O. L. zu zwei der fünf großartigen Lausitzer UNESCO-Stätten.
Die Tour endet im Theater, bei Shakespeares »Othello / Die Fremden«, der Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion des Lausitz Festivals 2024 in der Dannerhalle / Telux-Gelände Weißwasser.
Erster Halt: UNESCO-Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft / UNESCO Biosferowy rezerwat
Bei einer geführten Tour durch die Teichlandschaft erleben die Gäste die Natur ganz unmittelbar: seltene Wasservögel und Schilfrauschen gehören zum Ambiente. Ein Kreativworkshop mit Musik am Wasser rückt die Kultur an die Natur heran.
Zweiter Halt: UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen – Findlingspark Nochten / Łuk Mużakowa
Im Findlingspark Nochten erzählen eiszeitliche Findlinge und Gartenlandschaften von der Geschichte und Rekultivierung der Region. Eine Führung macht diesen Wandel erlebbar.
Dritter Halt: Telux-Gelände in Weißwasser / Běła Woda
Zurück in Weißwasser erwartet eine Aufführung von Shakespeares »Othello / Die Fremden« im Rahmen des Lausitz Festivals die Gäste auf dem Telux-Gelände.
Beginn: 13:00 Uhr
Ende: 22:00 Uhr
Start: Busbahnhof Weißwasser
ÖPNV: Das Tagesprogramm und die Spielzeit des Theaterstücks sind an die Zugverbindungen in Weißwasser angepasst.
Im Ticketpreis enthalten: Bustransfer, Eintritte, Programmpunkte an den Stätten sowie das Ticket fürs Theater
Im Tagesprogramm ist eine Kaffeepause eingeplant und Zeit fürs Abendessen. Verpflegung ist im Ticketpreis nicht enthalten.
»Wann sind wir wir, wann werden wir wir, weil wir ohne uns nicht wir sein können? Wir sind ein Ort, der erst entsteht, wenn wir drei zusammen hier sind. Ich war nicht hier, ich war in anderen Jetzten und Dorten, aber ich war nicht wir, weil wir nicht HIER waren.«
Worin besteht das »wir« einer Gemeinschaft von Menschen, die sich zwar im gleichen Raum befinden, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten? Oder anders gesagt: Was verbindet uns dies- und jenseits gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit? Sind es unsere Spuren, Hinterlassenschaften oder Annahmen? Sind es Bewusstsein, Gefühle oder Glaube?
Diese und weitere Fragen untersucht die neue Tanztheater-Performance des US-amerikanischen Künstlers Andrew Schneider, die von Richard McGuires Graphic Novel »HERE« inspiriert ist. Das Buch wurde jüngst von Robert Zemeckis mit Tom Hanks und Robin Wright in den Hauptrollen verfilmt. Theater, Performance, Storytelling, Tanz, Technologie – all dies verknüpfen Andrew Schneider und seine beiden Mit-Schöpfer Margaux Marielle-Tréhoüart und Joel Suárez Gómez virtuos, um in Echtzeit die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auf die Bühne zu bringen.
Wir wissen, wie es ist, jemanden zu vermissen, weil er nicht mehr HIER ist. Aber wie fühlt es sich an, jemanden zu vermissen, weil er nicht mehr JETZT ist? Gemeinsam erzählen die drei die Geschichte eines einzigen Raums über Äonen hinweg, in dem unzählige Leben, Träume und Travestien durch den gegenwärtigen Moment schweben. Inspiriert von der Theorie der gleichzeitigen Existenz mehrerer Realitäten, der Quantenverschränkung und unter Verwendung von drahtloser In-Ear-Technologie, erforschen Schneider und Co. die Grenzen von Beziehungen und des Geschichtenerzählens. Dafür richten sie ihre hyperpräzise Aufmerksamkeit auf Synchronitäten von Körpern im Raum über die Zeit – sowohl kosmisch als auch alltäglich.
Dass die europäische Erstaufführung dieser internationalen Produktion ans Lausitz Festival vergeben wurde, ist der Initiative von Margaux Marielle-Tréhoüart zu verdanken, die beim Lausitz Festival seit 2023 als Tänzerin, Choreografin und Ideengeberin fungiert. »HERE« wurde vom traditionsreichen US-amerikanischen Theater Jacob’s Pillow im US-Bundesstaat Massachusetts in Auftrag gegeben und wird dort zu dessen Wiedereröffnung im Juli 2025 uraufgeführt, um kurz darauf in Cottbus gezeigt zu werden.
Mitwirkende
Kreation, Licht und Sound: Andrew Schneider
Choreografie und Performance: Margaux Marielle-Tréhoüart, Joel Suárez Gómez, Andrew Schneider
Produktion: Fin Productions / Jecca Barry
Termine
Sa 30.8.2025, 19:30 | Ticket
So 31.8.2025, 16:00 | Ticket
Ort
Kammerbühne des Staatstheaters Cottbus
Wernerstraße 60
D-03046 Cottbus
Schauplatz der Novelle »Tristan« von Thomas Mann ist das Sanatorium Einfried. Hier treffen fragiles Künstlertum und kraftstrotzende Bürgerlichkeit aufeinander. Die zarte Frau Klöterjahn, Gattin eines ebenso wohlhabenden wie ordinären norddeutschen Großkaufmanns, soll in milder Bergluft einen als geringfügig betrachteten Luftröhrenschaden kurieren, der seit der Geburt ihres fabelhaft gesunden Sohnes und Familienstammhalters ihre Gesundheit beeinträchtigt. Die schöne junge Mutter befreundet sich mit einem feinsinnigen Dichter namens Detlev Spinell. Dieser lässt sie voller Anbetung spüren, was sie entbehrt und sich doch nicht einzugestehen wagt. Während die übrigen Kurgäste eine Schlittenfahrt unternehmen, bleiben die beiden zurück und vertiefen sich im Salon, ausgestattet im Empirestil, in den Klavierauszug von Wagners »Tristan und Isolde« ... In motivisch-künstlerischer Vorwegnahme seines späteren Meisterwerks »Der Zauberberg« reflektiert Thomas Mann, dessen Geburtstag sich im Juni zum 150. Mal jährt, in dieser vergleichsweise frühen Novelle aus dem Jahr 1903 in parodistischer Manier den schmerzlichen Gegensatz zwischen dem gemeinen, triumphierenden Leben und der Schönheit.
Beim Lausitz Festival wechselt die Szene für »Tristan« vom Empire zur Moderne, in das Haus Schminke. Die Vorgaben vom Eigentümer und Bauherrn der Fabrikantenvilla, Fritz Schminke, an den ausführenden Architekten Hans Scharoun, Meister der klassischen Moderne, waren so knapp wie prosaisch: »Ein modernes Haus für zwei Eltern, vier Kinder und gelegentlich ein bis zwei Gäste.« An diesem Abend, darauf dürfen sich Literaturliebhaber:innen freuen, empfängt der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz als Protagonist und Gastgeber der Lesung im Wohnzimmer des architektonischen Kleinods Haus Schminke einen größeren Kreis von Besuchern. Sichern Sie sich Ihren Platz!
Ein klassischer Soloabend mit Akkordeon? Aber ja! Der junge, preisgekrönte Virtuose João Barradas spielt auf seinem Instrument auch Musik von Johann Sebastian Bach und Franz Schubert. Bachs Kantate »Mein Jesu, was für Seelenweh« lädt er mit der wortlosen, unmittelbar berührenden Emotionalität seines klingenden Atemwerkzeugs namens Akkordeon auf, und wer Schuberts »Drei Klavierstücke« naheliegenderweise an einem Flügel verortet, lernt auch diese Musik in der intensiven, anders gearteten Klanglichkeit womöglich neu schätzen.
Darüber hinaus spielt Barradas Werke seines Landsmanns Luís Tinoco, darunter auch »Mind The Gap«, ursprünglich für Marimba komponierte musikalische Notizen aus dem Untergrund, bei denen die berühmte Londoner U-Bahn zur Inspirationsquelle für ein Stück voller rasanter kompositorischer Einfälle wird.
Programm
Johann Sebastian Bach: Mein Jesu, was für Seelenweh, BWV 487
Luís Tinoco: Dreaming of the Unseen
Franz Schubert: Drei Klavierstücke, D 946
Luís Tinoco: Mind the Gap, Keep Left, Next Train Approaching, Currently Out of Order, Keep Right
Der Abend kreist um Gustav Mahlers »Das Lied von der Erde«, dessen poetische Quellen im alten China liegen. Zhang Jun, Meister des chinesischen Kunqu, und der kosmopolitische Jazzmusiker Haggai Cohen-Milo interpretieren mit ihren Ensembles für das Lausitz Festival die Musik Mahlers und Gedichte aus lang vergangenen Jahrhunderten neu. Dabei bildet Mahlers berühmtes Werk das Gravitationsfeld, dem sich die Künstler nähern und von dem sie sich auch wieder entfernen.
Die Musik Mahlers wird durch die Flöte und Harfe repräsentiert, aber nicht gespielt. Die Gedichte aus dem alten China interpretiert Zhang Jun im Stil des Kunqu – der ältesten noch erhaltenen asiatischen Opernschule. Beide treffen auf Jazz und Rap – Kunstformen mit afroamerikanischen Wurzeln. Indem sie einander umkreisen, aufeinander Bezug nehmen und einander ergänzen, erschaffen die Künstler einen neuen Kosmos, in dem Quellen, Formen und Stile miteinander in Beziehung treten. Ihre künstlerischen Mittel sind weltumspannend und universell. Sie lassen ein Lied von den Menschen entstehen, in dem Geschichte, Gesellschaften und Zeiten aufgehoben sind.
Mitwirkende
Kunqu: Zhang Jun
Spoken Word: Stimulus
Spoken Word: Amewu
Chinesische Flöten: Mao Yulong
Flöte: Susanne Barner
Saxofon: Emma Rawicz
Harfe: Teresa Emilia Raff
Vibrafon/Keyboard: James Shipp
Gitarre: Tamuz Dekel
Bass: Haggai Cohen-Milo
Schlagzeug: Ziv Ravitz
Termine
Do 4.9.2025, 19:30 | Ticket
Fr 5.9.2025, 19:30 | Ticket
Französischer Liederabend mit Werken von Fauré über Poulenc bis zu Cambreling
Wunderschöne Location, herrliches Programm: Im malerisch gelegenen Schloss Altdöbern gestaltet der französische Top-Tenor Cyrille Dubois französische Vokalmusik aus der Zeit der Spätromantik bis zur Gegenwart. Die Lieder von Francis Poulenc, Ernest Chausson, Gabriel Fauré und Louis Beydts beziehen sich auf die Naturverehrung, die das Frankreich der Belle Époque so faszinierte, aber auch auf den Blick der Dichterin Louise de Vilmorin auf die Welt, und wecken Assoziationen zum Flair der Pariser Salons. Bei diesem Repertoire wird Cyrille Dubois, der auf den besten Bühnen der Opernwelt zu Hause ist, von seinem langjährigen Klavierpartner Tristan Raës begleitet.
Mit zeitgenössischen Tönen beginnt der Abend: »ENTRE PARENTHESES ()« ist ein neues Werk des Komponisten und Dirigenten Sylvain Cambreling. Er hat hierfür Texte von Jules Supervielle und Paul Éluard vertont, zwei bedeutenden französischen Lyrikern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Stück erlebt an diesem Abend in Altdöbern in der Interpretation von Cyrille Dubois und João Barradas seine Uraufführung.
Sylvain Cambreling:
ENTRE PARENTHESES ()
6 mélodies pour Ténor avec accordéon chromatique
Francis Poulenc:
Aus »3 mélodies sur des poèmes de Louise de Vilmorin«:
Le garçon de Liège
Au-delà
Aux officiers de la garde blanche
Aus »Métamorphoses«:
Reine des mouettes
C'est ainsi que tu es
Paganini
Ernest Chausson:
4 mélodies, Opus 8
Nocturne
Amour d'antan
Printemps triste
Nos souvenirs
Gabriel Fauré:
3 mélodies, Opus 18
Nell
Le Voyageur
Automne
2 mélodies, Opus 87
Le plus doux chemin
Le ramier
Louis Beydts:
5 Humoresques
Mademoiselle Rose
À la fontaine
Le Coquebin
L'Eau claire
Bonjour, Monsieur
Mitwirkende
Gesang: Cyrille Dubois
Akkordeon: João Barradas
Klavier: Tristan Raës
Szymon Nehring, 1995 in Krakau geboren, war mit 19 Jahren bereits Finalist beim Chopin-Wettbewerb in Warschau und gastiert seither weltweit an den ersten Häusern. In seinem Programm mit Werken von Chopin und Schumann durchwandert er die Welt der Romantik.
Gerade in Chopins vielschichtigen Nocturnes bildet die sangliche Melodie das Zentrum der Charakterstücke, die uns bis heute mit ihrer oft schwermütigen Schönheit verzaubern. Das Scherzo Nr. 2 in b-Moll dagegen ist eine virtuose Walzerfantasie. Sie geht mit etwas unheimlichen, gedämpften Triolen los, die wie düstere Ahnungen das ganze Stück durchziehen. Die »Marche funèbre« seiner zweiten Klaviersonate hat als der Trauermarsch schlechthin seinen festen Platz im kollektiven musikalischen Gedächtnis und ist auch in der Popkultur verankert. Er entstand bereits 1837, zwei Jahre vor den anderen Sätzen der Sonate.
Ebenfalls 1837 erschien auch die Erstausgabe der Symphonischen Etüden von Robert Schumann, sein Opus 13, das seine spätere Ehefrau Clara Wieck im selben Jahr in Leipzig zur Uraufführung brachte. Ein Variationenwerk in zwölf Teilen, dessen Thema Schumann von Ignaz Ferdinand Freiherr von Fricken in Böhmen übernahm. Mit dessen Tochter Ernestine hatte Schumann sich 1834 heimlich verlobt, bis seine Liebe zu Clara, der Tochter des gemeinsamen Klavierlehrers Friedrich Wieck, zur Auflösung der Verlobung führte. Claras Aufführung von Robert Schumanns Symphonischen Etüden initiierte eine Romantik der besonderen Art; sie führte 1840 zur ehelichen Verbindung der beiden.
Die Etüden, die Schumann 1852 einer Neufassung unterzog, tragen aufgrund ihres pianistisch-klanglichen Reichtums die Klassifizierung symphonisch. Schumann schlägt in ihnen Bögen vom Barock über die Klassik bis zur Romantik und lässt überdies seine Alter Egos Florestan und Eusebius musikalisch zu Wort kommen. Diese beiden Gestalten symbolisieren in Schumanns Denken die kontrastierenden Seiten seines eigenen Charakters: Florestan repräsentiert die leidenschaftlich trotzige, stürmisch kämpferische Seite, Eusebius vertritt die lyrisch verträumte, sanftmütig kontemplative. Zwischen Licht und Schatten, metaphorischer Helligkeit und Dunkelheit, entstehen auf den schwarz-weißen Tasten des Klaviers unter den Händen Szymon Nehrings alle hörbaren Farben der Poesie.
Pisane zwukowe barby na běłych a čornych tastach
Bunte Klangfarben auf weißen und schwarzen Tasten
Programm
Frédéric Chopin: Nocturne Nr. 1 F-Dur op. 15
Frédéric Chopin: Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31
Frédéric Chopin: Sonate b-Moll op. 35
Robert Schumann: Symphonische Etüden op. 13
Romana, eine Archivarin aus Kyjiw, erkennt in einem namenlosen Soldaten, der schwer verletzt aus dem Krieg im Donbass zurückkehrt, ihren Ehemann. Mit allen Kräften versucht sie, ihm sein Gedächtnis wiederzugeben. Mittel zum Zweck sind vier alte, weit gereiste Koffer voller Fotos, Papiere, ein in Leder gebundenes Notizbuch und ein geheimnisvoller Löwenkopf aus Stein. All diese stummen Zeugen sollen Anlass liefern für Erinnerung. Sie führen in die 1930er-Jahre, in das galizische Städtchen Butschatsch mit seiner multiethnischen Bevölkerung. Hier zeigt der halbwüchsige Pinkas, Sohn des Schochet, dem ukrainischen Mädchen Uljana den Ort des legendären, verschwundenen Sees Amadoka, der sich einstmals in stolzer Größe über die Karten Europas erstreckte.
Uljanas Vater, der zwischen den Kriegen ukrainische Nationalisten und Unabhängigkeitskämpfer versteckt hatte, versucht während der nationalsozialistischen Besatzung unter Lebensgefahr seinen jüdischen Nachbarn zu helfen. Im Zeitalter der Vernichtung und Todesangst werden aus Priestern Partisanen, aus Nachbarn Spitzel, aus ukrainischen Kindern Mörder, aus Juden Hilfspolizisten, aus Opfern Täter. Oder umgekehrt. Ob Hilfe und Rettung von den anrückenden Sowjets zu erwarten ist, wird je nach Standpunkt und Erfahrung unterschiedlich bewertet.
Zu Romanas Erstaunen ist es nicht der Löwenkopf der Statue des heiligen Onufrij, der die Erinnerungen des kranken Mannes weckt. Es sind die Briefe eines Dichters und Wissenschaftlers, der während der stalinistischen Säuberungsaktionen unter der Intelligenzija in der Sowjetukraine eine zweifelhafte Rolle spielte.
Sofia Andruchowytschs hochkomplexes, ein ganzes Jahrhundert umspannendes Panorama zeigt eindrucksvoll, dass die Gegenwart der Ukraine nur aus ihrer Geschichte heraus zu verstehen ist. Zugleich steht das große und großartige Werk auch als Parabel für die Unzuverlässigkeit von Erinnerung und für die Manipulierbarkeit von Identität.
»Wenn je ein Roman eine Form und einen Ton gefunden hat für die Geschichte der Ukraine in alle ihrem Leid und all ihren Abgründen, dann ist es dieses schwindelerregende Epos«, schrieb Sonja Zekri in ihrer Rezension in der »Süddeutschen Zeitung«.
Im Anschluss findet ein Autorengespräch mit Sofia Andruchowytsch statt (Simultanübersetzung Ukrainisch-Deutsch)
Амадока
Сценічні читання німецькою мовою за романом Софії Андрухович. На німецьку роман переклали Александер Кратохвіл та Марія Вайсенбьок.
У понівеченому до невпізнаваности в одній з гарячих точок на Донбасі чоловікові без імені, який повернувся з війни, Романа, яка працює в київському архіві, впізнає свого чоловіка. Вона з усіх сил намагається, повернути йому пам’ять. Використовує для цього чотири старі пошарпані валізи з фотографіями, старими зошитами, записник в палітурці з фарбованого сап“яну та загадкову кам’яну голову лева. Ці німі свідки мають допомогти йому згадати. Вони ведуть нас в 1930-і роки, в галицьке містечко Бучач з його мультиетнічним населенням. Тут юний Пінхас, син шохета показує Уляні, своїй українській однолітці місце, де колись було тепер вже неіснуюче озеро Амадока, озеро, що колись було найбільшим у Європі. Улянин батько, який міжвоєнний період переховував українських повстанців та ОУНівців, наражаючи себе на небезпеку, тепер ризикуючи життям намагається врятувати від нацистів своїх єврейських сусідів. У часи винищення та страху перед смертю священники стають партизанами, сусіди – стукачами, українські діти – вбивцями, євреї – поліцаями, жертви – злочинцями. Або навпаки. Чи можна очікувати допомоги та порятунку від совітів, які наближаються – про це думки розходяться залежно від позиції та досвіду…
На превеликий подив Роман спогади хворого чоловіка пробуджують не голова лева від статуї святого Онуфрія, а листи поета та науковця, роль якого під час сталінських чисток серед інтелігенції в Радянській Україні була неясною.
У романі Софія Андрухович розгортає неймовірно складну панораму, що охоплює період одного століття і виразно показує, що сучасну Україну можна зрозуміти лише на основі її історії. Одночасно, цей твір є притчею про те, якою непевною є пам’ять та як легко можна маніпулювати ідентичністю.
»Якщо існує роман, якому вдалося знайти форму і тон для історії України з усіма її стражданнями і та прірвами, то це - цей запаморочливий епос«, пише Соня Зекрі у SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Учасники:
Літературні читання: Фрідеріке Отт, Фанні Стаффа, Філіпп Ґрімм
Мистецька керівниця та авторка тексту: Гайке Мертен-Гоммель
Після читання відбудеться подіумна дискусія із авторкою Софією Андрухович Модераторка: Соня Зекрі
Mitwirkende
Autorin: Sofia Andruchowytsch
Texteinrichtung und Regie: Heike Merten-Hommel
Moderation: Sonja Zekri
Lesung: Friederike Ott
Lesung: Fanny Staffa
Lesung: Philipp Grimm
18:00 bis 20:00 Uhr Szenische Lesung
Anschl. bis ca. 21:30 Uhr Autorinnengespräch (Simultanübersetzung Ukrainisch-Deutsch)
Streichquartette von Felix Mendelssohn bis Mieczysław Weinberg
Seit März 2025 und noch bis Dezember zeigen die Görlitzer Sammlungen im Kaisertrutz Görlitz die Sonderausstellung »Nationalsozialismus in Görlitz – 80 Jahre Kriegsende«. Darauf Bezug nehmend, widmet das Lausitz Festival eines seiner Konzerte in Görlitz jener Musik, die den Machthabern des Dritten Reichs, aber auch der Sowjetunion, suspekt bis verhasst war und deshalb geächtet und teils sogar verboten wurde. Das Quatuor Danel aus Belgien, das bereits im vergangenen Jahr das Lausitzer Festivalpublikum begeisterte, kehrt diesmal mit Streichquartetten von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Dimitri Schostakowitsch und Mieczysław Weinberg zurück. Was verbindet diese Komponisten vor dem Hintergrund der sogenannten verfemten Musik, die die Nazis als »entartet« bezeichneten?
Sowohl Mendelssohn als auch Weinberg wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Opfer des Nationalsozialismus. Der eine wurde postum diffamiert, seine Denkmäler wurden geschleift. Der andere musste als 19-Jähriger während des deutschen Überfalls auf Polen 1939 aus Warschau vor den Nazis in die Sowjetunion fliehen. Die Rolle Dimitri Schostakowitschs in diesem Kontext lenkt den Blick auf Unterdrückung und Vernichtungsgelüste, die geistiges Leben vielerorts auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterhin geprägt haben: Während der landesweiten antisemitischen Kampagne unter Stalin im Jahr 1952/1953 wurde Weinberg inhaftiert. Er wäre dem Regime wahrscheinlich zum Opfer gefallen, wenn sich sein Mentor und Freund Schostakowitsch nicht für ihn eingesetzt hätte.
Als Schostakowitsch im Jahr 1960 den sächsischen Kurort Gohrisch aufsucht, wo er sein Achtes Streichquartett komponiert, tut er dies im Kontext der Repressionen, denen er sich, im autoritären System der Sowjetunion lebend, ausgesetzt sah. Die Internationalen Schostakowitsch-Tage Gohrisch schreiben dazu: »Das Streichquartett Nr. 8 ist ein äußerst tragisches, persönlich gehaltenes Werk, das er – wie aus einem erst viele Jahre nach seinem Tod veröffentlichten Brief an Isaak Glikman vom 19. Juli 1960 hervorgeht – als ein ›Requiem‹ für sich selbst verstand«. Unter Schostakowitschs 15 Streichquartetten ist das achte dasjenige, das heute am meisten aufgeführt wird. Es legt Zeugnis davon ab, wie der zwischen Anpassung und Opposition changierende Komponist selbst Opfer wurde – Opfer der Gratwanderung zwischen Duldung und Ächtung der Machthaber. So gesehen, umkreist das Konzertprogramm des Quatuor Danel das Thema »Verbotene Musik« im doppelten Sinne.
Programm:
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Streichquartett Nr. 6 in f-Moll, op. 80
Dimitri Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 8 in c-Moll, op. 110
Mieczysław Weinberg: Streichquartett Nr. 6 in e-Moll, op. 35
Ein Sonett ist schon vom Wort her Klang (Zwuk), es nimmt in seinem Namen das lateinische Wort sonus (Klang, Schall) in sich auf. Wird es in Musik gesetzt, potenziert sich diese Eigenschaft. Aus den 154 überlieferten Sonetten von William Shakespeare hat sich der Kontrabass-Virtuose, Bandleader und Komponist Haggai Cohen-Milo seine Lieblinge herausgepickt, dazu Musik erfunden und sie für seine Band arrangiert. Mit Celia Kameni steht ihm bei diesem Projekt eine Sängerin zur Seite, die seine Melodien und Shakespeares Texte mit ihrer wunderbar geschmeidigen Stimme (Hłós) in fein gewebte Klänge eigener Art übersetzt. Dabei nutzt natürlich auch sie all die interpretatorischen Freiräume, die der Jazz seinen Interpreten von jeher lässt.
Shakespeares Sonette laden auf 14 (Štyrnaće) Verszeilen in Liebeswelten der Begierde und des Verrats ein, der Entsagung und Erfüllung, der Vergänglichkeit und der Ewigkeit. Sie changieren zwischen homoerotischen Andeutungen und heterosexuellem Narrativ. In der Musik nehmen diese menschlichen Aspekte auch jenseits der Sprache hörbar Gestalt an.
Cohen-Milo legt bei seinem Schaffen im Jazz einen besonderen Schwerpunkt auf genreübergreifende Kunst; so hat er bereits alte jemenitische Gebete vertont, Rekompositionen von Meisterwerken Mahlers, Debussys und Verdis zur Aufführung gebracht und Formen des Tanztheaters entwickelt. So eine sinnliche Grenzüberschreitung vollzieht sich nun mit Shakespeares Sonetten, in denen sich nicht nur alles um menschliche Beziehungen dreht, sondern die darüber hinaus als autonome Sprachkunstwerke immer wieder die Spannung zwischen Sagbarkeit und Unsagbarem auskosten. Cohen-Milo lotet diese Poetologie nun in Musik aus. Der Abend, übrigens eine Premiere, wird in Shakespeares musikalischer Poesie eine poetische Musik zum Funkeln bringen.
Mitwirkende
Bass: Haggai Cohen-Milo
Gesang: Célia Kameni
Klavier: Marcin Masecki
Percussion: James Shipp
Schlagzeug: Amir Bresler
»Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!«
Forster Bürger proben den Coriolan (Uraufführung)
Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des großen Individualisten Coriolanus ist faszinierend und brandaktuell. Cajus Marcius, nach dem Sieg bei der Stadt Corioli mit dem Zunamen Coriolanus versehen, ist ein scheinbar unbezwingbarer und grenzenlos stolzer Krieger; ein freies Radikal und ein radikal Freier, der die Spielregeln und gemeinschaftsstiftenden Gepflogenheiten der Römischen Republik zutiefst verachtet. Nach der Unterdrückung eines Hungeraufstands der Plebejer und dem Sieg über die benachbarten Volsker strebt er das höchste politische Amt des Konsuls an. Doch wählen lassen möchte sich Coriolanus nicht, denn er hält sich für auserwählt. Um seine Unabhängigkeit nicht aufgeben und sich nicht unterordnen zu müssen, begeht er einen verhängnisvollen Verrat…
Viele Autoren widmeten sich dieser herausfordernden und provokanten Figur: William Shakespeare in seiner Römertragödie »Coriolanus«, Bertolt Brecht in seiner Bearbeitung des Shakespeare-Stücks »Coriolan«, Plutarch in seiner Biografie, T.S Eliot in Gedichten und Günter Grass und Heiner Müller in ihren Theaterstücken »Die Plebejer proben den Aufstand» und »Germania 3«, in denen Theaterproben zum Brecht-Stück »Coriolan« stattfinden und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit eingeholt und gewissermaßen selbst auf die Probe gestellt werden. Historisch entsteht die republikanische Demokratie u.a. aus der Überwindung eines Herrschertyps, wie ihn Coriolanus verkörpert; heutzutage arbeiten neue Coriolane weltweit an der Überwindung demokratischer Gemeinwesen.
Anlass genug, den autokratischen Patrizier und freiheitlichen Egomanen Coriolanus in einem vielstimmigen Theaterabend in den Blick zu nehmen. Jürgen Kuttner, Kulturwissenschaftler, Radiomoderator und Theaterkünstler, entwickelt und inszeniert »Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!« in Forst und nähert sich der komplexen Figur aus verschiedenen Richtungen an. In seinen Theaterarbeiten und theatralischen Soloabenden widmet sich Kuttner immer wieder gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und künstlerischen Phänomen, Themen und Fragestellungen und knüpft auf unterhaltsame Weise Verbindungen zwischen Naheliegendem und Entlegenem. (Zwischen 2018 und 2020 trat er etwa am Staatstheater Cottbus mit seinen »Videoschnipseln« auf.) In einer Mischung aus Show, Revue, Bühnenessay, Theaterstück und Vortragsabend entstehen so vielgestaltige Netzwerke aus Lebens- und Kunstwelten. In verschiedenen künstlerischen und theatralischen Ausdruckformen mäandert Kuttner durch Geschichte und Geschichten und wirft erhellende Schlaglichter auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Zusammen mit vertrauten und neuen künstlerischen Partnern und einem Bürgerchor aus Forst und Umgebung sammelt Kuttner Splitter des Coriolanus-Stoffes, wirft und schüttelt sie durcheinander und bringt sie in kaleidoskopartigen Konstellationen zur Anschauung. Bruch- und Fundstücke von der Antike bis heute werden in dieser hybriden Theaterarchäologie vorgestellt. Als Spielstätte von »Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!« fungiert der multifunktionale Veranstaltungssaal im ehemaligen Grand Hotel und späteren Kulturhaus »Forster Hof« in Forst, in dessen Architektur und Nutzungsgeschichte sich eine besondere Verbindung von Kunst, Politik und Soziokultur manifestiert und den das Lausitz Festival durch sein Theaterprogramm wiederbelebt.
Mitwirkende
Stück und Inszenierung: Jürgen Kuttner
Dramaturgie: Michael Höpper
Termine
Mi 10.9.2025, 19:00 | Ticket
Do 11.9.2025, 19:00 | Ticket
Fr 12.9.2025, 19:00 | Ticket
Ort
Forster Hof
Cottbuser Str. 24
D-03149 Forst (Lausitz)
Konzert mit Musik von Arvo Pärt am 90. Geburtstag des Komponisten
Am 11. September 2025 feiert Arvo Pärt seinen 90. Geburtstag. Das Lausitz Festival gratuliert dem estnischen Komponisten, dessen Werke überall auf der Welt aufgeführt und geliebt werden, mit einem besonderen Konzert: In der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands, führen der Estonian Philharmonic Chamber Choir und Concerto Copenhagen unter der Leitung von Tõnu Kaljuste fünf seiner Stücke auf. Die Interpreten aus Estland kennen das Pärt’sche Oeuvre, das von Schlichtheit und Tiefe gleichermaßen gekennzeichnet ist, seit Jahrzehnten. Vieles davon haben sie uraufgeführt und sind damit um die Welt gereist. Concerto Copenhagen ist ein ausgewiesenes Alte-Musik-Ensemble, das Pärts zeitlos schöne Musik in vielerlei Facetten zum Klingen bringt.
Das Programm steht in der russisch-orthodoxen und katholischen Tradition – eine kontemplative und dennoch der Welt zugewandte Musik von berührender Kraft.
Arvo Pärt (*1935):
Silouan’s Song für Streichorchester (1991)
Stabat Mater für gemischten Chor und Streichorchester (2008)
Berliner Messe für gemischten Chor und Streichorchester (1991/2002)
Festina lente für Streichorchester und Harfe (1986/1990)
Trisagion für Streichorchester (1992/1994)
Mitwirkende
Chor: Estonian Philharmonic Chamber Choir
Dirigent: Tõnu Kaljuste
Orchester: Concerto Copenhagen
Termin
Do 11.9.2025, 19:30
Ort
St. Peter und Paul Kirche
Bei der Peterskirche
D-02826 Görlitz
Heiner Müller war einer der berühmtesten Schriftsteller der DDR. Sein einflussreiches Werk wurde und wird weit über deren Grenzen hinaus verehrt. Inge Müller, die bedeutende Lyrik schrieb, ist heute als Schriftstellerin weitestgehend in Vergessenheit geraten. Beide waren seit 1955 verheiratet und verbrachten Ende der 50er-Jahre eine kurze, aber intensive schöpferische Zeit in der Lausitz.
Anlässlich der Reparatur einer havarierten Abraumförderbrücke im Tagebau Klettwitz unweit von Senftenberg recherchierten und schrieben beide dort das Hörstück »Klettwitzer Bericht«, das 1958 veröffentlicht und als Theaterstück im selben Jahr am Senftenberger Theater uraufgeführt wurde. Weitere sogenannte Produktionsstücke, also Dramen, die in der sozialistischen Industrieproduktion spielten, wurden gemeinsam entwickelt, geschrieben und mit Preisen ausgezeichnet. Heiner und Inge Müller gelten als Miterfinder dieser neuen und einzigartigen Dramatik der jungen DDR. Zugleich verfassten beide zahlreiche, zueinander in enger Beziehung stehende Gedichte, die ihre Anliegen, Haltungen und Gefühle füreinander wortgewaltig und auch sehr persönlich zum Ausdruck brachten.
Am Originalschauplatz von »Klettwitzer Bericht« tauchen zwei junge Schauspieler:innen, heute ungefähr im gleichen Alter wie die Müllers seinerzeit, mit dem Publikum tief in die Liebes- und Arbeitsbeziehung von Inge und Heiner Müller ein und lassen deren Partnerschaft vor dem Hintergrund des damaligen Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft und der Lausitzer Industriekultur erfahrbar werden. Sie entfalten ein ortsspezifisches und immersives Stationentheater, das die poetische Intimität der fragilen Dichterliebe mit der überwältigenden Rohheit der Tagebaulandschaft konfrontiert. Der Theaterabend verknüpft Texte des Paares, lässt sie im Dialog lebendig werden und entfaltet so das Drama einer leidenschaftlichen und wechselvollen Beziehung, die am 1. Juni 1966 mit dem Freitod Inge Müllers endete. Dabei nimmt »Müller & Müller« insbesondere das utopische Vorhaben einer künstlerischen und partnerschaftlichen Symbiose, in dem auch die gesellschaftliche Utopie eines solidarischen Miteinanders aufgehoben sein sollte, in den Blick und verfolgt Gelingen und Scheitern dieses ungeheuren Experiments.
Das Jahr 2025 markiert den 100. Geburtstag der (wieder) zu entdeckenden Autorin Inge Müller, den 30. Todestag des einstigen Star-Schriftstellers Heiner Müller sowie den 70. Hochzeitstag der beiden Dichter. Im Stück »Müller & Müller« treffen die Geister des schreibenden Ehepaars im ehemaligen Klettwitzer Tagebau nun auf den gigantischen Nachfolger der einst von ihnen bedichteten Abraumförderbrücke: die F60. Und auch die liegt still – 1991 eingeweiht, stellte sie nach nur einem Jahr Dienst im Zuge des Strukturwandels in der Region ihre Arbeit ein und wurde schließlich in ein Freiluftmuseum verwandelt. Und doch finden die Wiedergänger keine Ruhe...
»Müller & Müller« verbindet Live-Hörspiel mit szenischer Hommage und kammertheatralisches Beziehungsdrama mit einer Nachtführung auf der F60. Ein außergewöhnliches Lausitzer Original vor grandioser Kulisse.
imersiwny źiwadłowy wjacor wó basnikaŕskem póriku w łužyskej industrijowej krajinje
Immersiver Theaterabend über ein Dichterpaar in der Lausitzer Industrielandschaft
Fassung und Inszenierung: Michael Höppner
Mitwirkende
Schauspiel (Inge): Nele Trebs
Schauspiel (Heiner): Nico Dorigatti
Fassung und Inszenierung: Michael Höppner
Sounddesign: Jacqueline Butzinger
Kooperation des Lausitz Festival und der neuen Bühne Senftenberg
In Zusammenarbeit mit dem Förderverein Besucherbergwerk F60 e.V. und der F60 Concept GmbH
Kräftige Trommelrhythmen, starke Worte: Bereits zum vierten Mal öffnet das Gladhouse Cottbus gemeinsam mit dem Lausitz Festival für einen Nachmittagsworkshop allen Menschen die Tür, die Lust auf die Vielfalt des Trommelns und/oder des kreativen Schreibens haben.
Krabat ist die berühmteste Legendenfigur der sorbischen Kultur. Beim Lausitz Festival nimmt sie in einer neuen Oper musikalisch Gestalt an. Komponiert und getextet von Marius Felix Lange, werden in »Krabat« große Themen wie Angst (Strach) und Krieg, Zaubermacht und Liebeskraft, Tod und Leben verhandelt. Für die Koproduktion des Lausitz Festivals mit dem Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau, das das Stück nach der Uraufführung am 13. September ins Repertoire übernimmt, reiste Marius Felix Lange durch die Lausitz und erkundete dort die alten Sagen, Traditionen und Lieder. Was er dabei erfahren und gesammelt hat, fügte er mit seiner an vielen vorangegangenen Erfolgsproduktionen geschulten Fantasie und Formbildungskraft zu einem melodienreichen Musiktheaterwerk für die ganze Familie zusammen.
Martin Stefke, Chefdramaturg am Gerhart-Hauptmann-Theater, erzählt, worum es in der Oper geht: »Das sorbische Niederland im Jahr 1642. Es herrscht Krieg in Europa, ein blutiger Krieg, den die Geschichtsschreiber später den Dreißigjährigen nennen werden. Der Schwarzmüller steckt in der Klemme. Er kann kaum noch Gesellen finden. Zu vielen jungen Männern haben die Kämpfe das Leben geraubt. Andere sind an Hunger oder Krankheiten gestorben oder aus ihrer Heimat geflohen. Aber der Müller braucht dringend neue Gehilfen, hat er doch mit der Todesgöttin Smjertnica einen Vertrag geschlossen: Jahr für Jahr zum Osterfest muss er ihr unter der Bedingung, dass stets zwölf Müllerburschen bei ihm arbeiten, einen dieser Jungen opfern. Gelingt ihm dies nicht, hat er sein Leben verwirkt und muss sterben. Hoffnung schöpft er aus der dunklen Magie. Als er in seinem Zauberbuch ein Kapitel entdeckt, das beschreibt, wie ein Mühlrad zu einer Zeitmaschine werden kann, probiert er den schwarzen Zauber aus und findet so Krabat, einen Jungen aus der Zukunft. Er lockt ihn in die Mühle (Młyn), wo Krabat nicht nur arbeiten muss, sondern bald auch des Müllers Nachfolger werden soll. Doch Krabat durchschaut das Treiben des Müllers und stellt sich ihm mit Mut und Schläue entgegen.«
Eine kulturelle Zeitreise, die uns in aller klanglichen Farbenpracht mit auf den Weg zu den Koordinaten führt, die seit Jahrhunderten das Mensch-Werden und Mensch-Sein ausmacht.
Opera wokoło stracha w jeho mnohich formach a přeća a móžnosće, so wot njeho wuswobodźić.
Eine Oper um Angst in ihren vielen Formen und den Wunsch und die Möglichkeit, sich von ihr zu befreien.
Eine Koproduktion mit dem Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau
Mitwirkende
Komponist: Marius Felix Lange
Musikalische Leitung GMD: Roman Brogli-Sacher
Regie: Rebekka Stanzel
Ausstattung: Vinzenz Hegemann
Termine
Sa 13.9.2025, 19:30 | Ticket
So 21.9.2025, 15:00 | Ticket
Im Jahr 2025 fallen der 125. Geburtstag und der 75. Todestag von Kurt Weill zusammen. Das Lausitz Festival begeht den doppelten Jahrestag des 1900 in Dessau geborenen und 1950 in New York City gestorbenen großen Komponisten mit einem fulminanten Abschlusskonzert seiner diesjährigen Festival-Ausgabe:
In einem intimen Liederabend präsentiert Weltstar Ute Lemper, am Klavier begleitet von Vana Gierig, im Großen Saal des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen / Budyšin Vokalwerke des Komponisten aus der Zeit der Weimarer Republik, des französischen Exils und den Jahren nach seiner Emigration in die USA.
Die Vielfalt von Weills Arien, Liedern, Chansons und Songs reflektiert ein Leben, das von demokratischen Hoffnungen, flüchtiger Melancholie und Erfolg erzählt. Musikalisch fand Weill unverwechselbar eigene Wege zwischen Avantgarde und Assimilation ans Populäre. Weill vertonte Libretti und Texte etwa von Georg Kaiser, Franz Werfel, Langston Hughes, Elisabeth Hauptmann, Maxwell Anderson, Yvan Goll sowie Ogden Nash. Weltruhm erlangte er durch seine Arbeit mit Bertolt Brecht. »Dass meine Musik zur ›Dreigroschenoper‹ industrialisiert worden ist, spricht ja nach unserem Standpunkt nicht gegen, sondern für sie, und wir würden in unsere alten Fehler zurückfallen, wenn wir einer Musik ihren künstlerischen Wert und ihre Bedeutung absprechen würden, nur weil sie den Weg zur Menge gefunden hat«, notierte der Komponist.
Nicht nur der Klang der Weimarer Republik ist eng mit der Tongestalt von Kurt Weills Musik verbunden. Er hat auch die Erfahrung des Exils in Frankreich und die Erfolge als amerikanischer Staatsbürger musikalisch eindringlich zwischen Oper und Jazz, Musical und Song verarbeitet. Der Soziologe und Musiker Theodor W. Adorno, allem Populären in der Musik gegenüber herzlich abgeneigt, schrieb über Weill: »Er komponiert seine neuen Melodien, die alten zu deuten, selber schon in Brüchen, fügt die Trümmer der Floskeln aneinander, die die Zeit zerschlagen hat.«
Ute Lemper singt seit 40 Jahren Weill auf den großen Bühnen der Welt und hat mehrere Alben mit seinen Werken herausgebracht. Auch ihre Kunst und Karriere ist eng mit den Lebensstationen Berlin, Paris und New York verknüpft. Weills Musik weiß sie auf ihre eigene, unverwechselbare Art mit neuem Leben zu füllen. Ihr Publikum nimmt sie mit auf eine faszinierende Reise durch Leben und Werk Kurt Weills, der der Welt eine Fülle an unvergesslichen Liedern hinterlassen hat.
Mitwirkende
Gesang: Ute Lemper
Klavier: Vana Gierig
Mit 31 Veranstaltungen im Hauptprogramm geht das Lausitz Festival vom 24. August bis 14. September 2025 in seine sechste Saison. Die Vorstellungen verteilen sich auf 20 Produktionen, die zu gleichen Teilen in Südbrandenburg und Ostsachsen zu erleben sind. Die Hälfte davon entsteht exklusiv fürs Festival: Theater, Musiktheater, Konzerte, Kunst, szenische Lesungen, Literatur und eine Reihe mit philosophischen Gesprächen.
Unser Festival-Programm wird in diesem Jahr begleitet vom Inspirationswort unsbewusst. Es trägt den Gedanken des anderselbst weiter, der das Programm des Vorjahrs wie ein Wasserzeichen durchzog.
Vom Ich im anderen und dem Anderen in mir geht es in diesem Jahr also um das Wir – der Menschen. Und damit um uns.