Die vierzehnte Ausgabe von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln beginnt 2024 mit dem ACHT BRÜCKEN Freihafen am 4. Mai. In der Kölner Philharmonie und weiteren Spielstätten im Kölner Stadtzentrum kann von früh bis spät bei freiem Eintritt der Musik von heute gelauscht werden. Die Werke von Porträtkomponist Enno Poppe und vieler weiterer Künstler:innen diverser Genres und Kulturen werden bis zum 12. Mai in rund 50 Konzerten aufgeführt.
Kontakt
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln Bischofsgartenstraße 1 D-50667 Köln
Bewertungen & Berichte ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
Konzert
»Scherben«
Poppe | Scelsi | Seyedi | Wozny
consord
Pavel Tseliapniou | Flöte
Tamon Yashima | Oboe
Robert Beck | Klarinette
Ronan Whittern | Fagott
Enrico Taubmann | Saxophon
Norbert Fabritius | Trompete
Vsevolod Mititello | Horn
Ferdinand Frey | Posaune
Jan Termath | Tuba
Gereon Voß | Schlagwerk
Felix Feßke | Schlagwerk
Deborah Rawlings | Klavier
Stephan Wolke | E-Gitarre
Constantin Herzog | Kontrabass
Lautaro Mura Fuentealba | Dirigent
Elnaz Seyedi:
frames 1 (2019)
für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Saxophon, Horn, Trompete, Posaune, Tuba, zwei Schlagzeuger, E-Gitarre, Klavier und Kontrabass
Giacinto Scelsi:
Riti: I funerali d'Alessandro Magno (1962)
für fünf Instrumente
Joanna Wozny:
dià / trans (2021)
für Ensemble
Enno Poppe:
Scherben (2000/2008)
für Ensemble
Züricher Version
Divergent ist das Programm des 2016 begründeten Münsteraner Ensembles consord bei ihrem Auftritt in der Kölner Philharmonie. »frames 1« der im iranischen Teheran gebürtigen Elnaz Seyedi verfugt dynamisch aufwallende Klangverläufe mit Phasen der Stille zu einem fortlaufenden Fries separater Klangbilder.
Zu einer Art assoziativem Vexierspiel verarbeitet die in Österreich lebende Polin Joanna Wozny Klangmaterialien unterschiedlicher Struktur und Substanz. Und dann ist da noch – abschließend, aber keinesfalls zuletzt – der Italiener Giacinto Scelsi, der große Solitär und Klangbeschwörer der jüngeren Musikgeschichte, ein erratischer Monolith in den mäandernden Stilströmungen der europäischen Avantgarde des letzten Jahrhunderts.
Wie passt das alles zusammen? Sind das Puzzleteile, die im Zusammenklang ein geordnetes Bild ergeben? Geradezu programmatisch erscheint da der Konzertauftakt mit Enno Poppes »Scherben«, ein Stück, das in einzelne Splitter unterschiedlicher Klangfarben, Konturen und Texturen zerfällt. Es ist am Hörer, die Fragmente zu einem geschlossenen Ganzen zu (re)kombinieren.
National Gugak Center
Sinawi-Performance (17. März 2020)
Aufnahmeort: Myongwon Folk House, Kookmin University, Seoul
National Gugak Center
Sinawi-Performance (01.12.2016)
Aufnahmeort: Pungnyu-sarangbang Hall, National Gugak Center, Seoulc
Um Ihnen die koreanische Tradition des Sinawi zeigen zu können, ohne die Ensembles für ein einziges Konzert einmal um die halbe Welt fliegen zu lassen, haben wir das Freihafenkino erfunden.
Wir freuen uns sehr, Ihnen so die Filme zweier Konzerte einer Musikrichtung zeigen zu können, die das Schaffen unseres Porträtkomponisten Enno Poppe nach eigener Aussage nachhaltig beeinflusst haben: Sinawi bezeichnet einen Improvisationsstil, der in der traditionellen koreanischen Musik verwurzelt ist und mit dem ursprünglich schamanische Riten des alten Koreas begleitet wurden. Gespielt werden die Zithern Gayageum, Geomungo und Ajaeng sowie die Querflöte Daegeum, die Oboe Piri, die zweiseitige Röhrenspießgeige Hegeum, die Trommel Janggu und der flache koreanische Gong Jing.
Termine
Sa 4.5.2024, 13:00 | Ticket
Sa 4.5.2024, 15:00 | Ticket
NK Ensemble
Dilruba Bilgi | Gesang
Nermin Kaygusuz | Kemençe
Miase Bayramoğlu Örümlü | Ney
Ali Başeğmezler | Viola
Gözde Yaşar | Violoncello
Orhun Orhon | Dirigent
Onur Türkmen – A Transcendent Journey
Hat (2018)
für Kemençe
Hat (2018)
für Ney
Terennüm I (2022)
für Gesang und Kemençe
Terennüm II (2022)
für Gesang & Kemençe
Bir Güneş (2013–22)
Gedicht von Yunus Emre
aus: Havuz
für Gesang, Kemençe, Ney, Viola, Violoncello (Viola da Gamba)
Hüsn'ü Aşk (2013–22)
Gedicht von Şeyh Galip
aus: Havuz
für Gesang, Kemençe, Ney, Viola, Violoncello (Viola da Gamba)
Improvisationen für Ensemble
Havuz (2013–22)
aus: Havuz
für Gesang, Kemençe, Ney, Viola, Violoncello (Viola da Gamba)
Mukaddime (2013–22)
Gedicht von Ahmet Haşim
aus: Havuz
für Gesang, Kemençe, Ney, Viola, Violoncello (Viola da Gamba)
Hat
für Ney und Cello
Mavi (2013–22)
aus: Havuz
für Gesang, Kemençe, Ney, Viola, Violoncello (Viola da Gamba)
Manchmal bewegt uns Musik so, dass wir ihre Wirkung nicht wirklich beschreiben können. Was hat Musik eigentlich mit uns Menschen zu tun? Eine Kultur wird von uns gemacht, um etwas zutiefst Menschliches in einem kreativen Akt real werden zu lassen.
Wir wollen unserer Begegnung mit der Welt Ausdruck verleihen und anderen davon erzählen, um uns als Individuen in einer gemeinsamen Welterfahrung verbunden zu fühlen. Eine musikalische Kultur kreiert in diesem Sinne Frequenzen, Töne und Klänge, um geteilten Emotionen unteren psychischen Ordnungen eine klingende Form zu geben. Wenn dann die so gewordene Klang-Kultur festgehalten und ihr ein geographischer Ort fest zugeschrieben wird, könnte das gemeinsame Menschliche im Hintergrund der Klänge vergessen werden. Was mit der Zeit übrig bleibt, ist eine kulturelle Hülle, ein Kleid in seiner geordneten Stofflichkeit. Der lebendige fühlende Mensch, der das Kleid angezogen hat, verschwindet aber allmählich und die Gemeinsamkeiten mit der inneren Welt verblassen.
Wie können wir diese rigiden Perspektiven auf musikalische Kulturen wieder lebendig machen? Wie können wir über die gewohnten kulturellen Erzeugnisse schweben, um ihr Innerstes besser zu sehen und ihre menschliche Aussage deutlicher zu spüren?
Onur Türkmen ist einer der wenigen, der sich schon seit langer Zeit komponierend, tiefgehend und bahnbrechend mit der Überwindung der engen Kulturalität in der Musik befasst. Losgelöst von kulturellen Assoziationen, erforscht er die Makams und erschafft »Rituelle Dramen«, wie er sie nennt, und verbindet so in seinen Werken auf beeindruckende Weise Poesie und Ritual
»Morik« ist kurdisch und bedeutet Perlen. Gemeint sind die Schätze, die in unseren gemeinsamen Erinnerungen liegen und Gefahr laufen, nie geborgen zu werden. Konkret geht es der Band Danûk um Phonograph-Aufnahmen alte Aufnahmen auf Wachszylindern – von traditionellen kurdischen Liedern aus dem frühen 20. Jahrhundert, aus denen die fünf Musiker zeitgenössische Musik machen.
Wie Sänger Ferhad Feyssal sind auch die anderen vier vor dem Krieg in Syrien geflohen, spielten gemeinsam Musik auf den Straßen von Istanbul. Mit »Morik« haben sie im vergangenen Jahr ihr erstes Album aufgenommen. Mit den Liedern auf den Wachswalzen schließen sie einen jahrhundertealten Kreis, indem sie den Zugang zu den Aufnahmen zurückgewinnen, die europäische Entdecker:innen in ihrer Heimat gemacht haben. Der Krieg zwang sie, aus ihrer Heimat zu fliehen und nach Europa zu kommen. Nun greifen sie von hier aus auf andere Teile ihres kulturellen Erbes zu.
ensemble mosaik
Karen Lorenz | Synthesizer
Simon Strasser | Synthesizer
Christian Vogel | Synthesizer
Roland Neffe | Synthesizer
Ernst Surberg | Synthesizer
Chatschatur Kanajan | Synthesizer
Mathis Mayr | Synthesizer
Niklas Seidl | Synthesizer
Enno Poppe | Synthesizer
Arne Vierck | Klangregie
Enno Poppe:
Rundfunk (2015–18)
für neun Synthesizer, Audio-Software von Wolfgang Heiniger
Kompositionsauftrag des SWR, rainy days Luxembourg, Festival d’Automne à Paris, Huddersfield Contemporary Music Festival, Wien Modern, Ultraschall Berlin, Acht Brücken | Musik für Köln und musica viva
In den späten 60ern galt der Synthesizer als eine Zukunftsvision, die schier unbegrenzte Möglichkeiten in Aussicht stellte. Aber die Entwicklung der Mikroelektronik verlief derart rasant, dass Geräte wie Moog oder Hammond von den Konzertbühnen verschwunden und im Museum gelandet sind.
Die Zeiten, als mit Kraftwerk, Popol Vuh und Tangerine Dream der deutschstämmige Krautrock international für Aufsehen sorgte, sind Geschichte. Man darf »Rundfunk« also auch als nostalgische und höchst persönliche Hommage an die Frühzeit elektronischer Klangerzeugung verstehen. Und doch geht es hier um mehr. So arbeitet Poppe nicht mit Originalinstrumenten, sondern mit deren computertechnisch rekonfigurierten Sounds. Er ist kein Restaurator, sondern Gestalter und Entdecker. Da flimmern zunächst einzelne Klangpartikel auf, wie die scheinbar wahllos verstreuten Fundstücke im Verlauf einer archäologischen Ausgrabung. Doch in der Zusammensetzung zeigen die Töne neue Qualitäten, ergeben frische Texturen und verblüffende motivische Verdichtungen.
Jorik Bergman And Her Large, Imaginary Big Band Constellation | Ensemble
Martin Gasser | Altsaxophon
Tobias Haug | Altsaxophon
Jens Böckamp | Tenorsaxophon
Julius van Rhee | Tenorsaxophon
Heiko Bidmon | Baritonsaxophon
Matthias Schwengler | Trompete
Maik Krahl | Trompete
Stephan Kreutz | Trompete
Matthias Bergmann | Trompete
Tim Hepburn | Posaune
Philipp Schittek | Posaune
Marleen Dahms | Posaune
Els Verbruggen | Bassposaune
Felix Hauptmann | Klavier
Hee Hyun Lee | Gitarre
Mareike Wiening | Schlagzeug
Reza Askari | Kontrabass
Jorik Bergman | Leitung, Arrangement, Flöte
Jorik Bergman:
The Road With A Thousand Giraffes (2023)
Und weitere aktuelle Werke für Big Band von Jorik Bergman
Sie ist Jazzflötistin, Komponistin, Arrangeurin und Bandleaderin. Und auch innerhalb ihrer einzelnen Betätigungsfelder hält die in Köln lebende Niederländerin Jorik Bergman gerade ziemlich viele Bälle in der Luft.
Sie leitet ein Trio und eine Bigband, die ihre Stücke spielen, dazu Projekte, die sich etwa der »minimal organic music« des US-amerikanischen Komponisten Julius Eastman oder den genresprengenden Meisterwerken von Charles Mingus widmen. In ihren eigenen Kompositionen verarbeitet sie Einflüsse quer durch die Jazzgeschichte und weit darüber hinaus. Inspiration zieht sie auch aus den besonderen Fähigkeiten ihrer Band-Mitglieder und nicht zuletzt aus außermusikalischen Quellen – Stücktitel rund um Giraffen, Cowboys, Schwerelosigkeit im All und Klimawandel verraten es.
Wie man bei solch extremer Offenheit eine eigene Stimme entwickeln kann, wurde Bergman in einem Podiumsgespräch gefragt. »Keine Ahnung«, lautete die erfrischend ehrliche Antwort. Sie versuche lieber, mit jedem Stück oder Projekt etwas Neues zu entdecken. Das Eigene ergebe sich dann bestenfalls von selbst.
Der Erfolg gibt der Vollblutmusikerin, die gerade erst ihr Jazz-Masterstudium mit Bestnote abgeschlossen hat und doch schon vielfach mit Preisen und Aufträgen geehrt wurde, recht.
Jorik Bergman »The Road With A Thousand Giraffes« bewerten:
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Bewertungen & Berichte Jorik Bergman »The Road With A Thousand Giraffes«
Führung
Führung »Waldluftleben«
Farbklänge und Waldaromen
Isabelle Steidl | Leitung (5. Mai)
Petra Gerritzma | Leitung (9. Mai)
Andreas Schwab | Leitung (12. Mai)
ACHT BRÜCKEN lädt Sie ein, vor dem Besuch der Installation von Enno Poppe auf einem angeleiteten Waldspaziergang mit Achtsamkeitsübungen eine Auszeit zu nehmen und Ihre Wahrnehmung für die feinen Unterschiede zu schärfen. Spannendes Wissen über den Wald erwartet Sie mit köstlichen Geruchs- und Geschmacksproben. Tauchen Sie in die vielfältigen Nuancen des Waldes ein!
Audiovisuelle Installation zu »Wald« von Enno Poppe
ARPED TYPE / Enno Poppe
im wald (2020/21)
Audiovisuelle Installation zu »Wald« für vier Streichquartette (2010)
WARPED TYPE | Andreas Huck & Roland Nebe, Video and Konzept
Enno Poppe, Dirigent
Ensemble Resonanz
Vorführungszeiten der Installation:
13:00-13:30 Uhr
14:00-14:30 Uhr
16:00-16:30 Uhr
Termine
So 5.5.2024, 13:00 | Ticket
Mo 6.5.2024, 13:00 | Ticket
Di 7.5.2024, 13:00 | Ticketund weitere Termine
Mi 8.5.2024, 13:00 | Ticket
Fr 10.5.2024, 13:00 | Ticket
Sa 11.5.2024, 13:00 | Ticket
So 12.5.2024, 13:00 | Ticket
Bewertungen & Berichte Türkisch-Deutsche Töne bei ACHT BRÜCKEN
Konzert
Hirsch | Lamb | Poppe »Soluted Harmonics«
ensemble mosaik
Kristjana Helgadóttir | Flöte
Simon Strasser | Oboe
Christian Vogel | Klarinette
Martin Losert | Saxophon
Roland Neffe | Schlagzeug
Ernst Surberg | Klavier/Keyboard
Adrian Pereyra | E-Gitarre
Chatschatur Kanajan | Violine, Dirigent
Sarah Saviet | Violine
Karen Lorenz | Viola
Mathis Mayr | Violoncello
Niklas Seidl | Violoncello
Arne Vierck | Klangregie
Liisa Hirsch:
Soluted Harmonics (2021)
für Flöte, Oboe, Klarinette, Saxophon, Schlagwerk, Synthesizer, Violine, Viola, Violoncello
Catherine Lamb:
overlays transparent/opaque (2013/2022)
für Flöte, Bassklarinette, Synthesizer, Viola und zwei Violoncelli
Enno Poppe:
Rad (2003)
für zwei Keyboards
Enno Poppe:
Fleisch (2017)
für Saxophon, E-Gitarre, Keyboard und Schlagwerk
Dem Ton Raum geben. Ihn aufblühen lassen in seinen feinsten Schattierungen und Schichtungen, ohne ihm einen Inhalt aufzubürden, eine Gestalt oder ein Volumen vorzu geben. So könnte ein Konzept lauten, auf das sich Liisa Hirsch, Catherine Lamb und Enno Poppe verständigen.
Die Estin Liisa Hirsch hat sich sowohl als Konzert- wie auch als Film- und Theaterkomponistin profiliert. Sie weiß die genuinen dramatischen Implikationen zu handhaben, die Klangbildern innewohnen.
Ihre US-amerikanische Kollegin Catherine Lamb, 2020 Laureatin des renommierten Ernst von Siemens Förderpreis Komposition, lässt sich von der Phänomenologie des Klanges inspirieren, seiner physikalischen Struktur, seinen Frequenzen und Interferenzen. Sie arbeitet mit akustischen Elementarteilchen, lässt sie miteinander reagieren, sich zu neuer Klangmaterie anlagern, statt mit vorgefertigten Stilfiguren zu hantieren.
Gerade solche Stilfiguren macht sich hingegen »Fleisch« zum Thema. In kurzen Phrasen lässt Enno Poppe hier den Gestus von Funk und Rock-Musik aufpoppen, bis die Gebrauchsspuren der Musik, die Etiketten, die daran haften, eine eigene sinnliche Qualität entwickeln – Musik, die sich selbst zum Inhalt hat.
Enno Poppe:
Prozession (2015/2020)
für großes Ensemble
Die Komposition des Stücks »Prozession« hat Enno Poppe schon im Jahr 2015 begonnen, allerdings nach etwa acht zu Papier gebrachten Minuten wieder niedergelegt. Erst das Jahr 2020 und der äußere Stillstand des Corona-Lockdowns brachten wieder Bewegung in den Kompositionsprozess. Diesmal schien sich das Material quasi von selbst zu entfalten, bis hin zu einer längeren, fast einstündigen Prozession.
Aus einer kleinen musikalischen Geste heraus fächert sich ein komplexes Gebilde auf. Musikalisch geführt an den rhythmisch prägnanten Impulsen von vier Perkussionist:innen entlang, türmt sich das Stück in einem organischen Prozess auf. In Wellen verlaufen logische Wachstumsstrukturen, bis sich die Musik verselbständigt und die Prozession schließlich in mystische Naturklänge mündet.
Bei aller Logik, die Poppes Kompositionsstil zu Grunde liegt, gelingt es ihm stets, die Brücke von der Theorie zur ästhetischen Erfahrung zu schlagen. Und vielleicht liegt der Fokus wie bei liturgischen Prozessionen auch in diesem Stück nicht auf dem Zielpunkt, sondern auf dem Weg selbst und auf allem, was sich unterwegs ereignet.
Der Komponist dirigiert hier selbst das Ensemble Musikfabrik, das »Prozession« 2020 uraufgeführt hat, erstmals für das Kölner Publikum. Diese Uraufführung wurde vom Leipziger Ensemblefestival für aktuelle Musik veranstaltet, der Mitschnitt fand aber coronabedingt in der Kölner Philharmonie statt. Nach verschiedenen Aufführungen seitdem ist das Werk nun erstmals auch für das Kölner Publikum live zu erleben.
Ensemble ColLAB Cologne
Studierende der Klasse Interpretation neue Musik
Susanne Blumenthal | Musikalische Leitung
Karen Keyhani:
Dârvag (2023)
für Oud und Ensemble
Sara Glojnarić:
Artefacts #2 (2019)
für Sopran, Schlagzeug und Elektronik
Lucia Kilger:
revienith (2024)
für Ensemble und Elektronik
Kompositionsauftrag von der Gleichstellungskommission der HfMT Köln im Rahmen des Programms „New female talents“
Uraufführung
Carmen Pomet:
It’s now! (2024)
für Ensemble
Kompositionsauftrag von der Gleichstellungskommission der HfMT Köln im Rahmen des Programms „New female talents“
Uraufführung
Carlie Schoones:
LEAVE BRITNEY ALONE (2024)
für Ensemble
Kompositionsauftrag von der Gleichstellungskommission der HfMT Köln im Rahmen des Programms „New female talents“
Uraufführung
Neben brandneuen Kompositionen stehen hier zwei bereits bewährte: Die erste stammt von Karen Keyhani, einem Iraner, der in seinem Schaffen Berührungspunkte traditioneller Musik seiner Heimat mit westlicher Avantgarde erkundet. »Dârvag« ist im nordiranischen Dialekt der Name einer Art von Fröschen, die kurz vor dem Beginn des Regens zu singen beginnen. In dem Gedicht, das dem Werk zugrunde liegt, stehen sie für das Versprechen von Freiheit und Leben. Mit Popmusik und der Nostalgie, die sie in uns auslösen kann, beschäftigt sich die in Deutschland lebende Kroatin Sara Glojnarić: Ihrem Stück »Artefacts #2« dienten 20 Schlagzeug-Intros aus berühmten Rocksongs der 1980er und 1990er Jahre als Ausgangsmaterial.
Enno Poppe:
Speicher (2008–13)
für großes Ensemble
Ein Speicher dient der sicheren Aufbewahrung, aber immer mit begrenzter Zuverlässigkeit. Selbst hinter Stahltüren sind Wechselwirkungen mit der Umwelt nie auszuschließen. Das gilt auch für unser Gedächtnis.
Der Speicher der Erinnerungen ist eine plastische Instanz, kein passives Ablagesystem. Wir rufen Erinnerungen nicht einfach auf wie ein Dokument aus einem Archiv, wir gestalten sie, aktiv und unvermeidlich, sooft wir sie wieder ins Bewusstsein rücken.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Poppes »Speicher« verstehen. Sein wohl bislang ambitioniertestes Ensemblestück ist nach dem Vorbild fraktaler Muster organisiert. Der Binnenstruktur der sechs Parts entspricht deren Verhältnis untereinander. In den Details spiegelt sich der Gesamtaufbau.
Das Innen gleicht dem Außen. Motive bleiben gespeichert im ‚musikalischen Gedächtnis‘, erscheinen aber mit jeder Wiederholung in veränderten Tempi, Proportionen und Zusammenhängen. Das EnsembleKollektiv Berlin, das aus der langjährigen Zusammenarbeit von vier renommierten Berliner Ensembles für zeitgenössische Musik entstanden ist, präsentiert sich im zehnten Jahr seiner Existenz in einer erneuerten Formation, die zwar in der Gründungsbesetzung verwurzelt ist, sich aber zu einer eigenständigen und flexibleren Struktur entwickelt hat: Ein Ensemble aus Ensembles, ein Klangkörper aus Klangkörpern. Form und Inhalt sind kaum präziser – und auch kaum kunst- und wirkungsvoller – zur Deckung zu bringen.
Sarah Davachi:
Part I (2021)
aus: Long gradus
für Streichquartett
Sarah Davachi:
Part II (2021)
aus: Long gradus
für Streichquartett
James Tenney:
Arbor Vitae (2006)
für Streichquartett
Bekah Simms:
Songs for Fallow Fields (2023)
für Streichquartett
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln und Quatuor Bozzini mit Unterstützung des Canada Council for the Arts
Uraufführung
Egidija Medekšaitė:
Megh Malhar (2015)
für Streichquartett
Mehr als 400 Werkaufträge und rund 500 Uraufführungen in 25 Jahren: Kompromisslos wie kaum ein anderes Streichquartett hat sich das kanadische Quatuor Bozzini der neuesten Musik verschrieben.
Unter anderem bietet die vom Ensemble initiierte »Composers‘ Kitchen« jungen Komponist:innen einen großzügigen Rahmen, um schon während der Entstehung ihrer Werke deren Klangwirkung zu erproben. Die Kanadierinnen Sarah Davachi und Bekah Simms sowie die aus Litauen stammende Egidija Medekšaite konnten diese einzigartige Möglichkeit nutzen. Davachi etwa für ihr Stück »Long Gradus«, in dem sich eine harmonische Landschaft ganz allmählich verändert. Medekšaite, die neben Komposition auch Textildesign studiert hat, vergleicht ihre Werke gern mit Gewebestrukturen – so auch das Quartett »Megh Malhar«, dem schillernde Organza stoffe, ein indischer Raga und die bildliche Vorstellung glitzernder Tautropfen als Inspiration dienten.
Außerdem im Programm: »Arbor Vitae«, ein Auftrag des Quatuor Bozzini, der die letzte Komposition des 2006 verstorbenen James Tenney werden sollte. Das Bild des Lebensbaums versinnbildlicht treffend die vielfältig verzweigten mikrotonalen Strukturen des US-Avantgardisten.
Wir laden Sie ein: Bringen Sie eine Decke, Yoga- oder Isomatte mit und genießen Sie, wenn Sie möchten, dieses Konzert liegend.
Pause gegen 20:45 | Ende gegen 21:30
Das Konzert wird vom WDR für den Hörfunk mitgeschnitten. Sendetermin und Link werden hier zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Installative Konzertperformance von Haugg und Schneider
Gerhard Haugg | Orgel, Klavier, Cembalo, Antik-Elektronik und Performance
Ludger F.J. Schneider | Theremin, Live-Elektronik und Performance
Gerhard Haugg / Ludger F.J. Schneider:
f-d-g-(D)o (Freiheitlich-demokratische Grundordnung) (2024)
für Orgel, Theremin, Klavier, Cembalo, Live-Elektronik, Schachfiguren und Schachuhren
Uraufführung
Gerhard Haugg und Ludger F.J. Schneider sind dafür bekannt, »ernste« Stoffe auf spielerisch-experimentelle Weise anzufassen – und umgekehrt.
Die beiden verweisen in ihrer Konzeption auf die Tötung eines senegalesischen minderjährigen Flüchtlings durch Dortmunder Polizisten vor zwei Jahren. »f-d-g-(D) o« meint also Kritik an der Wirklichkeit der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung«, gekleidet in ein musikalisches Thema, das dazu angelegt ist, Konventionen zu sprengen. Haugg und Schneider verwenden mittelalterliche Tonsilben und aleatorische, also zufallsgesteuerte Prozesse, um Versatzstücke von Haydns Kaiserquartett und Beethovens Neunter neu zu perspektivieren. Das Instrumentarium hat zudem genügend Verfremdungs- und Erkenntnispotenzial, um die Würde des Menschen zu verteidigen und zugleich die herrschenden Verhältnisse in guter Fluxus-Tradition zu hinterfragen.
Marco Momi:
Vuoi che perduti (2018)
für Saxophon, Schlagzeug und Klavier
Haukur Þór Harðarson:
The Fall (2024)
für Saxophon, Schlagzeug und Klavier
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
Uraufführung
Saxophon, Schlagzeug und Klavier – die Besetzung lässt sowohl an ein Kammerensemble als auch eine Jazzcombo denken.
Und tatsächlich fühlen sich Salim(a) Javaid, Shiau-Shiuan Hung und Marlies Debacker, die das Trio Abstrakt bilden, in komponierter zeitgenössischer Musik ebenso zuhause wie in freier Improvisation. In ihrem Spiel befruchten sich die beiden Genres wechselseitig und beide tragen ihren Teil zu einem ungewöhnlich breiten Spektrum von Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten bei.
Geht es um notierte Werke, dann strebt das Ensemble längere Kooperationen mit den Komponisten an – so etwa mit dem Italiener Marco Momi, in dessen atmosphärisch dichtem Stück »Vuoi che perduti« die auf der Bühne erzeugten Töne einer geheimnisvollen, nicht lokalisierbaren »fernen Stimme« begegnen. »Sprächen wir in Märchensprache«, schreibt Momi, »so würde ich sagen, diese Klänge repräsentieren das Schicksal jener oder jenes, der berufen ist, den Wald zu durchqueren.«
Auch mit Haukur Þór Harðarson verbindet die drei eine bewährte Zusammenarbeit: Die ebenso fragile wie körperliche Klangsprache des Isländers lernte das Ensemble 2021 schätzen, als es die Uraufführung des Triostücks »Hollow« übernahm.
Keine Pause | Ende gegen 20:30
Das Konzert wird vom WDR für den Hörfunk mitgeschnitten. Sendetermin und Link werden hier zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Auszüge aus Enno Poppe:
Strom
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, gefördert durch die Kunststiftung NRW, und Festival Grafenegg
Schon mal hineinhören ins neue Stück, vier Tage vor der offiziellen Uraufführung – das geht beim PhilharmonieLunch Late Night mit dem Gürzenich-Orchester. Öffentlich geprobt wird »Strom« von Enno Poppe.
PhilharmonieLunch wird von der KölnMusik gemeinsam mit dem WDR Sinfonieorchester und dem Gürzenich-Orchester Köln ermöglicht.
Aus Sicherheitsgründen bitten wir Sie, auf das Mitbringen von großen Taschen und Rucksäcken zu verzichten.
Bewertungen & Berichte PhilharmonieLunch Late Night: Strom
Konzert
»Der Zauberlehrling«
On Water Orchestra
Simon Rummel | Dirigent
Simon Rummel:
Teil 1 (2009)
aus: DER ZAUBERLEHRLING
für großes Gläserspiel und Instrumente
Simon Rummel:
Neues Werk (2023/24)
für großes Gläserspiel und Instrumente
Uraufführung
»Dies tief rührende melancholische Instrument« nannte Christian Friedrich Daniel sie. Alexander Puschkin meinte »in ihren zauberhaften Tönen etwas Überirdisches« zu hören.
Die Glasharmonika war im 18. und frühen 19. Jahrhundert ein Modeinstrument. Doch ihrer ausgeklügelten Mechanik lag eine viel ältere und einfachere Idee zugrunde: Man lässt angefeuchtete Finger auf dem Rand eines Weinglases kreisen. Für heutige Komponist:innen ist diese Spieltechnik attraktiver, weil sich durch das »Stimmen« der Gläser mit Wasser beliebige mikrotonale Abstufungen erzielen lassen. Bei »DER ZAUBERLEHRLING« steht ein 88-teiliges Gläserspiel im Fokus. Die übrigen Instrumente, so erklärt der Kölner Improvisationsmusiker und Komponist Simon Rummel, färben das Klangbild mit langen Noten ein. So entsteht ein mikrotonales Klangband, dem das Vibrato der Gläser ein reiches Innenleben verleiht. – Immer wieder glaubt man ein fernes Echo auf Orchesterklänge des 19. Jahrhunderts zu hören …
Clara Iannotta:
a blur of fur and bone (ii) (2023–24)
für verstärkten Kontrabass
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
Uraufführung
Clara Iannotta:
a blur of fur and bone (iii) (2024)
für verstärkte Kontrabassblockflöte (Paetzold)
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, unterstützt durch Konstnärsnämnden, Schwedisches Komitee für Kunststipendien
Uraufführung
Clara Iannotta:
a blur of fur and bone (i) (2023–24)
für E-Gitarre
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
Uraufführung
Clara Iannotta:
no longer navigating by a star (2022)
für Kontrabass, E-Gitarre und Live-Elektronik
Fausto Romitelli:
Seascape (1994)
für Kontrabassblockflöte (Paetzold)
Mit den sprechenden Titeln ihrer Kompositionen öffnet die Italienerin Clara Iannotta poetische Assoziationsräume, sie weckt Stimmungen, setzt Zeichen, spielt mit Deutungs- und Andeutungsmustern.
So auch in »a blur of fur and bone«, einem dreiteiligen Auftragswerk für das ACHT BRÜCKEN Festival. Unweigerlich kommt einem das Bild von einem verwesten Tierkadaver in den Sinn. Oder sind es Schlachthofabfälle?
Wirklich eindeutig wird es eben nicht, aber man liegt sicher nicht falsch in Erwartung einer Musik, die durch Mark und Bein geht. »Klang hat die Kraft, in Tiefen vorzudringen, in die Worte nicht vordringen können«, konstatiert die Komponistin. Die Tiefen sind hier keineswegs nur metaphorisch zu verstehen.
Für Iannotta hat Musik eine unmittelbar körperliche Komponente – und wo wäre die deutlicher zu spüren als in den unteren Frequenzen des menschlichen Hörspektrums. Wenn der Schall in Wellenfronten nicht nur das hoch spezialisierte Trommel-, sondern auch das Zwerchfell zum Vibrieren bringt… In den tiefen Registern der Kontrabassblockflöte weist Iannotta auch gleich zum Auftakt schon in Richtung der bizarren, untergründigen Klanglandschaften von »Seascape« ihres früh verstorbenen Landsmanns Fausto Romitelli: Musik zum Abtauchen.
Kemal Dinç:
Palimpsest (2024)
für transtraditionelles Kammerensemble, Chor und Sprechchor
Uraufführung
Als Pioniere mikrotonaler Klangkunst fühlten sich einige Komponist:innen des 20. Jahrhunderts. Um ihre Verdienste realistischer einzuschätzen, hätten sie ihren Blick nur ein wenig nach Osten richten müssen.
Arabische, persische und türkische Musiker:innen arbeiten seit jeher mit dem Makam-System, das viel feinere Abstufungen als unsere europäischen Halbtöne kennt. Der Köln-Istanbuler Bağlama-Virtuose, Sänger und Komponist Kemal Dinç ist in beiden Welten zuhause: Der Schlüssel zu seinem neuen Werk liegt schon im Titel: Dieser meint eigentlich ein wiederbeschriebenes Papyrus, dessen ursprünglicher Text nur noch in Spuren sichtbar ist, im übertragenen Sinn aber eine Schichtung verschiedener Modi, Musiktraditionen und Klangwelten. Liedhafte Formen türkischer Herkunft überlagern sich mit Sprechtexten, Geräuschanreicherungen, westlichen Kirchentonarten und elektroakustischen Effekten.
Trio Swaralayaamaaya | Ensemble
Varijashree Venugopal | Stimme
B. C. Manjunath | Mridangam
Guru Prasanna | Kanjira
Weitaus feinere Tonhöhenunterschiede, als sie in der westlichen Tradition üblich sind, kennt auch die klassische indische Musik.
In den Tonleitern der indischen Musik ist die Oktave nicht in 12 Halbtöne, sondern in 22 Shrutis oder Mikrointervalle unterteilt. Der Gesang steht gerade in der karnatischen, also südindischen Musik im Mittelpunkt, und als eine der besten Sängerinnen dieses Hauptzweigs gilt derzeit Varijashree Venugopal. Atemberaubend virtuos beherrscht sie die melodischen Finessen des Raga-Systems und die ebenso komplexen rhythmischen Strukturen der Tala mit ihren zyklisch wiederholten Schlagfolgen. Außerdem aber auch eine Praxis, die sie »karnatischen Scat-Gesang« nennt: die Nachahmung instrumentaler Jazz-Soli unter Verwendung der südindischen Tonsilben. Venugopal wird begleitet von zwei Meister-Perkussionisten, B. C. Manjunath spielt das wichtigste karnatische Rhythmusinstrument, die zweiseitig bespannte Trommel Mridangam, Guru Prasanna die tamburin-ähnliche Rahmentrommel Kanjira.
Keine Pause | Ende gegen 19:00
Das Konzert wird vom WDR für den Hörfunk mitgeschnitten. Sendetermin und Link werden hier zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
The Kahil El'Zabar Trio
Corey Wilkes | trumpet
Alex Harding | bass
Kahil El'Zabar | percussion, vocals
Celebrating 50 Years of The Ethnic Heritage Ensemble’s Legacy and Unwavering Contribution to Great Black Music
Mit einem exklusiven Highlight kann das Kölner King Georg aufwarten: Jazz-Legende Kahil El‘Zabar ist mit seinem Trio zu Gast.
Der Bandleader, Perkussionist und Multiinstrumentalist hat die Entwicklung des Jazz in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich mitgeprägt. Ein Avantgardist alter Schule, könnte man sagen, wäre eine solche Zuschreibung nicht ein Widerspruch in sich. Aber natürlich hat das Alte auch im Neuen seinen Platz, geht das eine aus dem anderen hervor und wäre ohne gar nicht denkbar. El‘Zabar verfügt über beides, den respektvollen Blick auf das Gegebene und den sicheren Instinkt für das Kommende. In jungen Jahren studierte er afrikanische Musik in Ghana, begründete danach das Ethnic Heritage Ensemble und wurde Vorsitzender der AACM, einem Zusammenschluss von Musikern der Chicagoer Avantgarde-Szene. Er hat noch mit All-Time-Größen wie Dizzy Gillespie und Cannonball Adderley, mit Anthony Braxton, Archie Shepp oder Pharoah Sanders gespielt.
Bewertungen & Berichte »Healing music for the soul«
Konzert
»Critical Band«
Lang | Tenney | Verunelli
Remix Ensemble Casa da Música
Peter Rundel | Dirigent
James Tenney:
Critical Band (1988/2000)
für variables Ensemble mit tape delay system
Francesca Verunelli:
Déshabillage impossible (2015–16)
für Ensemble
Klaus Lang:
der pythagoräische fächer (1995/2013/2018)
für Orgel und großes Ensemble
Das portugiesische Remix Ensemble residiert in einem der schönsten Konzerthäuser der Welt, der Casa da Música in Porto. Hier am äußersten Rand des Kontinents landet man unversehens im Mittelpunkt der europäischen Musikkultur.
Mit drei Stücken von drei verschiedenen Komponisten fächern die Portugiesen ein weites Spektrum zeitgenössischer Musik auf, in ihrer ganzen strukturellen Komplexität, aber auch ihrem Witz, ihren ambient-artigen Klangflächen und ihrem dramatischem Impuls. Der 2006 verstorbene US-Amerikaner James Tenney, ein Schüler von John Cage und Edgard Varèse, ließ sich von den Gesetzen der Akustik, den mathematischen Beziehungen zwischen Tönen und Klängen sowie den physikalischen Bedingungen ihrer Ausbreitung im Raum inspirieren. »Déshabillage impossible« der Italienerin Francesca Verunelli versucht sich an einer klanglichen Adaption der gleichnamigen grotesken Slapstickszene des französischen Spielfi lmpioniers Georges Méliès. Den Schlussakkord setzt mit »der pythagoräische fächer« der Österreicher Klaus Lang.
Es entsteht ein Abend, an dem die zwei großen ruhigen Stücke Tenneys und Langs eine fast meditative Klammer um die wiederum energetisierende Verunelli bilden.
Ensemble Recherche
Anja Clift | Flöte
Eduardo Olloqui | Oboe
Adam Woodward | Violine
Shizuyo Oka | Klarinette
Klaus Steffes-Holländer | Klavier
Christian Dierstein | Schlagzeug
Sofia von Atzingen | Viola
Åsa Åkerberg | Violoncello
Miriam Götz | Szenografie
Lukas Nowok | Elektronische Soundscapes
Charlotte Morache | Kostüm
Natalie Stark | Licht
Christine Löbbert | Inklusionsberatung
Julian Kämper | Dramaturgie
Mads Emil Dreyer:
Apparitions (2019)
Musik für das inszenierte Konzert «A Song of Salt & Water»
Kristine Tjøgersen:
Seafloor Dawn Chorus (2018)
Bereit machen zum musikalischen Tauchgang! Wasser ist wandelbar. Wie es klingt, davon haben die meisten Menschen eine Vorstellung: Es plätschert, rauscht, prasselt, tropft.
Aber wie hört sich Wasser unter Wasser an? Und wie das Salz darin? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, taucht Mats Emil Dreyer ab. Gemeinsam mit dem Klangkünstler Lukas Nowok (er)findet er Sounds fl ießender und kristalliner Natur. Ihre »Vertonung« diverser Aggregatzustände macht den Klang des Mediums, das uns bei einem Tauchgang umgibt, erst wirklich hörbar – aber auch sehbar. Denn schließlich lässt es sich unter Wasser nur mit Gesten, Zeichen und Lichtsignalen verständigen! Ausgangspunkt der Arbeit des Freiburger ensemble recherche, das hier am Werke ist, ist passenderweise die kritische klangliche wie intellektuelle Erkundung ihrer Umwelt. Das 1985 gegründete Musikerkollektiv hat mit dem 1986 geborenen Kopenhagener Dreyer und der 1982 in Oslo geborenen Tjøgersen ein partizipatives Konzert geschaffen, das nicht nur Kinder zu einem bewussteren Hören zu verführen vermag.
Ein Konzert für Menschen mit und ohne Hörbeinträchtigung.
Keine Pause | Ende gegen 12:00
Termine
Sa 11.5.2024, 11:00 | Ticket
Sa 11.5.2024, 15:00 | Ticket
Ort
Alte Feuerwache
Bühne Melchiorstraße 3
D-50670 Köln
Tahsin Tolga Yayalar:
This too, shall pass (2024)
für Stimme und Klarinette
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, ermöglicht durch Brigitte Wagner-Halswick
Uraufführung
Füsun Köksal İncirlioğlu:
Neues Werk (2024)
für Stimme und Klarinette
Text: Nazim Hikmet
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, ermöglicht durch Brigitte Wagner-Halswick
Uraufführung
Arda Bayram:
Package and Message (2021)
für verstärkte Kontrabassklarinette und Stimme
Onur Türkmen:
Morn of Silence (2021)
a song cycle on the theme of the earth
für Stimme und Klarinette
Stimme und Klarinette – diese ungewöhnliche Besetzung haben alle vier Stücke gemeinsam. Und wenn neue Spieltechniken in der zeitgenössischen Musik das Klangbild traditioneller Instrumente erweitern, ist das keine Einbahnstraße.
Der Einfluss wirkt auch wieder zurück. So auch in den Kompositionen von Tahsin Tolga Yayalar, Füsun Köksal, Arda Bayram und Onur Türkmen. Die traditionelle Musik der Türkei und althergebrachte Instrumente bereichern sie um neue Register, aus tradierten Skalen spricht eine neue Rhetorik und moderne Schreibweise.
Tatsächlich untersuchte Türkmen in seiner Doktorarbeit die Anwendung zeitgenössischer Spieltechniken auf türkische Instrumente. Er hätte darin neben Kemençe und Ney durchaus auch die ursprünglich westliche Klarinette berücksichtigen können – schließlich hat sie in vielen Volksmusikensembles der Türkei längst der rauer klingenden Zurna den Rang abgelaufen. Der menschlichen Stimme gleich ist die Klarinette in der Lage, all die mikrotonalen Feinheiten des orientalischen Makam-Systems wiederzugeben, die Türkmen und vielen seiner Kolleg:innen so wichtig sind.
Bei »Morn of Silence« handelt es sich um ein Auftragswerk des Goetheinstituts Ankara. Der Liederzyklus ist von eurasischen schamanischen Liedern ebenso beeinflusst wie von Gedichten Shakespeares und Goethes.
Die kretische Musikszene gilt als die lebendigste in Griechenland – nicht zuletzt, weil sie sich zeitgenössischen Einflüssen öffnet und den Kontakt zu anderen Kunstgenres und Musiktraditionen sucht.
Stelios Petrakis etwa hat in seiner Karriere bereits mit Kollegen aus Spanien, dem Iran und Indien zusammengearbeitet, kehrt aber mit seinem eigenen Quartett zu seinen Wurzeln zurück. Typisch für die traditionelle kretische Musik ist die dominierende Rolle der Lyra, einer birnenförmigen, mit dem Bogen gestrichenen Schalenhalslaute, die Petrakis selbst virtuos beherrscht. Begleitet wird sie vom Laouto, einer gezupften Langhalslaute, und der Mandoline. Improvisation spielt eine große Rolle, nicht nur bei der fantasievollen Verzierung der Basismelodien, sondern auch im Tanz, den die Instrumentalisten begleiten. Mit seinem neuesten Album »Spondi« hat das Stelios Petrakis Quartet die Spitze der Weltmusik-Charts erobert.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sinfonie A-Dur KV 201 (186a) (1774)
Wolfgang Amadeus Mozart:
»Ch'io mi scordi di te?« – »Non temer, amato bene« KV 505 (1786)
Rezitativ und Arie (Rondo) für Sopran, obligates Klavier und Orchester. Text aus einer Bearbeitung der Oper "Idomeneo", Textdichter unbekannt
Joseph Haydn:
»Berenice che fai« Hob. XXIVa:10 (1795)
Kantate für Sopran und Orchester. Text aus "Antigono" von Pietro Metastasio
Enno Poppe:
Strom
Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, gefördert durch die Kunststiftung NRW, und Festival Grafenegg
Uraufführung
Verschiedentlich erzählt Enno Poppe, dass er sich beim Komponieren die Menschen vorstellt, die seine Musik spielen oder dirigieren werden. Das Stück »Strom« hat er François-Xavier Roth auf den Leib geschrieben, einem Dirigenten, zu dem er ein großes Vertrauen hegt.
Entstanden ist ein Stück, das einem breiten Fluss gleicht. Kein reißender Strom, sondern ein ruhiger und gemächlicher, dessen Wesen sich jedoch vermutlich mit jedem Meter seines Laufes nach und nach verändert – nahezu unbemerkt für diejenigen, die am Flussufer sitzen und auf die zunächst scheinbar glatte Wasseroberfläche schauen.
In vier Teile hat Poppe dabei jeden Halbtonschritt geteilt und prophezeit, dass die Musiker:innen Töne spielen werden, die sie bisher noch nie gehört haben. Diese Liebe zum großen Strom und kleinsten Flusswassermolekül findet in Köln ihren Match und so bildet die Stadt am Rhein den passgenauen Ort für die Uraufführung von Poppes Auftragskomposition.
Ergänzt wird das Programm vom Gürzenich-Orchester Köln um Haydn und Mozart. Wie diese drei Komponisten in einen Abend passen und was das mit diesem macht? Ein spannendes Experiment. Und was sonst ist die Liebe?
Das Konzert wird für den Hörfunk mitgeschnitten. Der Sendetermin wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Termine
So 12.5.2024, 11:00 | Ticket
Di 14.5.2024, 20:00 | Ticket
Varijashree Venugopal | Stimme, Indische Flöte
Guru Prasanna | Kanjira
B. C. Manjunath | Mridangam
Ensemble Musikfabrik
Peter Rundel | Dirigent
Paul Jeukendrup | Klangregie
Riccardo Nova | Elektronik
Riccardo Nova:
Mahābhārata (Mantras, Fights and Threnody)
für Stimme, Schlaginstrumente, Ensemble und Elektronik
Unter all den Grenzüberschreitungen, allen Fusionen, die es in der Musik gegeben hat, kulturellen, stilistischen Epochen übergreifenden, ist das Projekt von Riccardo Nova eins der imposantesten.
Ein zeitgenössischer italienischer Komponist vertont einen altindischen Schöpfungsmythos, interpretiert von Virtuosen karnatischer Musik in der Tradition des Hinduismus und von einem europäischen Ensemble für Neue Musik.
Neue Sounds in eigentümlichen Intervallen, die Nova nun mit indischen Ragas sowie der Rhythmik und Melodik der in Sanskrit verfassten Verse des Mahābhārata in Einklang bringt. Hätte sich der Begriff über die letzten Jahrzehnte nicht derart inflationär verbraucht und trivialisiert, man möchte es in aller Wertschätzung Weltmusik nennen.
Varijashree Venugopal hat sich einen Namen gemacht, weil sie sich in verschiedenen Musikarten ganz selbstverständlich bewegt. In ihrer eigenen Band singt sie eigene Kompositionen, sie ist aber auch ein Viertel eines südasiatischen zeitgenössischen Cross-Genre-Quartetts und verbindet Jazz Scatting mit dem indischen Sargamsystem.
Keine Pause | Ende gegen 19:15
Das Konzert wird vom WDR für den Hörfunk mitgeschnitten. Der Sendetermin wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben
Pierre-Laurent Aimard | Klavier
Sarah Maria Sun | Sopran
Přemysl Vojta | Horn
Saar Berger | Horn
WDR Sinfonieorchester
Elena Schwarz | Dirigentin
Martin Zingsheim | Moderation
Arnulf Herrmann:
manische Episode
für Orchester
Enno Poppe:
Augen
für Sopran und Kammerorchester
Worte von Else Lasker-Schüler
Miroslav Srnka:
Is This Us? (2021 / 2023-24)
für zwei Hörner und Orchester
Kompositionsauftrag des WDR
Uraufführung
Clara Iannotta:
the purple fuchsia bled upon the ground
für Klavier und Orchester
Kompositionsauftrag des WDR
Uraufführung
»Blut«, das klingt doch recht makaber als Titel für ein Konzertprogramm, zumal wenn gleich zum Auftakt die »manische Episode« von Arnulf Hermann in die düsteren Sphären einer bipolaren Störung verweist.
Einen »Beethovenkommentar für Orchester« nennt der Komponist sein Ensemblestück, das mit wuchtigem Blechgebläse in tiefste Gemütsregionen vordringt. Zum Ende wird es dann auch ausdrücklich blutig, wie Clara Iannotta im Titel ihrer neuen Komposition unmissverständlich ankündigt. »the purple fuchsia bled upon the ground«, das assoziiert man kaum mit Frühlingserwachen und farbenfrohem Blütenzauber. Und wer sich von Enno Poppes »Augen« einen Licht-Blick erhofft, erlebt die Sopranistin Sarah Maria Sun in vage tastenden bis schrill verzweifelten Annäherungen an die Liebe im Wortlaut zweier Gedichte von Else Lasker-Schüler.
Ein in jeder Hinsicht bewegendes, mit dem WDR Sinfonieorchester unter Elena Schwarz sowie den weiteren Solisten durchweg hochklassig besetztes Festival-Finale, in dem auch der tschechische Komponist Miroslav Srnka mit einer Uraufführung vertreten ist. Die bewährte Moderation des Kabarettisten Martin Zingsheim versieht die Stimmungsskala des Programms mit ironischen Noten.
Eine Pause | Ende gegen 22:00
Das Konzert wird von WDR 3 live übertragen und kann im Anschluss für 30 Tage auf wdr3.de nachgehört werden.
Die vierzehnte Ausgabe von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln beginnt 2024 mit dem ACHT BRÜCKEN Freihafen am 4. Mai. In der Kölner Philharmonie und weiteren Spielstätten im Kölner Stadtzentrum kann von früh bis spät bei freiem Eintritt der Musik von heute gelauscht werden. Die Werke von Porträtkomponist Enno Poppe und vieler weiterer Künstler:innen diverser Genres und Kulturen werden bis zum 12. Mai in rund 50 Konzerten aufgeführt.
Kontakt
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln
Bischofsgartenstraße 1
D-50667 Köln