In der 62. Festivaledition des Jazzfest Berlin, die vom 30. Oktober bis 2. November stattfindet, werden über 120 internationale Musiker*innen aus mehr als 20 Ländern in 25 Acts im Haus der Berliner Festspiele sowie in den nahe gelegenen Spielstätten A-Trane, Quasimodo und Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufeinandertreffen.
Ticketvorverkauf ab 18. September, 14:00 Uhr
Kontakt
JazzFest Berlin
Berliner Festspiele Schaperstraße 24 D-10719Berlin
Sofia Salvo – Baritonsaxofon
Henrik Sandstad Dalen – Kontrabass
Judith Schwarz – Schlagzeug
Kasia Kapela – Violine, Stimme
Alex Koo – Klavier
Wie sieht es um die Zukunft von improvisierter Musik aus? Keine Antwort, aber spannende Einblicke bietet das Konzert mit dem Projekt Melting Pot, das jährlich fünf herausragende junge Improvisationsmusiker*innen aus fünf europäischen Städten zum ersten Mal auf der Bühne zusammenbringt – darunter in diesem Jahr die argentinische Baritonsaxofonistin Sofia Salvo aus Berlin. Im Anschluss bespielen Studierende des Jazzinstitut Berlin das Café Carla mit einer Kiez-Session, an der auch alle musikalisch Interessierten aktiv teilnehmen können.
Melting Pot (AR, AT, BE, NO, PL)
Das europäische Kooperationsprojekt Melting Pot bringt jedes Jahr eine neue Konstellation junger Improvisationsmusiker*innen zusammen, die sich ohne lange Probenzeiten vor Publikum eine Bühne teilen. Auch in diesem Jahr haben die Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin, Handelsbeurs Concertzaal (Gent), Jazztopad (Breslau), Nasjonal Jazzscene Victoria (Oslo) und das Internationale Jazzfestival Saalfelden jeweils eine*n Musiker*in aus ihrer Region zur Teilnahme eingeladen. Die 2025er-Edition verspricht ein besonders spannendes Konzerterlebnis, wenn Baritonsaxofonistin Sofia Salvo, Kontrabassist Henrik Sandstad Dalen, Schlagzeugerin Judith Schwarz, Violinistin und Sängerin Kasia Kapela sowie Pianist Alex Koo erstmals für eine gemeinsame Session aufeinandertreffen. Reiz und Besonderheit dieser Initiative liegen darin, dass unterschiedlichste Künstler*innen, die sich meist nicht kennen, ohne den Zwang gemeinsamer Kontexte zusammen improvisieren und dabei verschiedene Stile und Herkünfte überbrücken, um live etwas Neues entstehen zu lassen.
Eine Kooperation von Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin, Jazztopad Festival (Wroclaw), Handelsbeurs (Gent), Nasjonal Jazzscene Victoria (Oslo) und dem Internationalen Jazzfestival Saalfelden
Termin
Mi 29.10.2025, 19:00 | Eintritt frei!
Ort
Jazz-Institut
Café Carla Einsteinufer 43-53
D-10587 Berlin
Niescier / Reid / Salem // Henkelhausen // Vijay Iyer & Wadada Leo Smith
Das Jazzfest Berlin 2025 eröffnen Altsaxofonistin Angelika Niescier, Cellistin Tomeka Reid und Schlagzeuger*in Eliza Salem. Auf ihren mit explosivem Free Jazz angereicherten swingenden Post-Bop folgt die rhythmische Tiefe von Felix Henkelhausens Septett Deranged Particles. Das Duo aus Pianist Vijay Iyer und Trompeter Wadada Leo Smith beschließt den Abend mit einem Set, das meditativen Balsam für eine Welt bietet, die nach Widerstand gegen Leid und Verzweiflung verlangt.
18:00 – Niescier / Reid / Salem „Beyond Dragons“ (DE, US)
Angelika Niescier – Altsaxofon
Tomeka Reid – Violoncello
Eliza Salem – Schlagzeug
Unter all den Rohrblattinstrumenten des europäischen Kontinents wird kaum eines mit dermaßen viel Energie verwendet wie das der in Köln ansässigen Altsaxofonistin Angelika Niescier. In ihrem Spiel kombiniert sie die feurige Intensität des Free Jazz mit zackigen Post-Bop-Melodien. Niescier ist gleichermaßen Traditionalistin wie Ikonoklastin und arbeitet regelmäßig mit anderen europäischen Musiker*innen wie dem Pianisten Alexander Hawkins oder der Saxofonistin Sakina Abdou zusammen. Im Laufe ihrer Karriere hat sie aber auch immer wieder die Nähe einiger der beeindruckendsten und eigenwilligsten Figuren der New Yorker Szene gesucht, darunter der Schlagzeuger Tyshawn Sorey und der Bassist Chris Tordini. Ihre Verbindung mit der Cellistin Tomeka Reid jedoch ist eine ganz besondere.
Reid ist eine langjährige Wegbegleiterin des Jazzfest Berlin, die hier bereits im Jahr 2018 mit dem Art Ensemble of Chicago auftrat und nur vier Jahre später mit ihrem Hemphill Stringtet zurückkehrte. Mit ihren robusten Kompositionen und ihren meisterhaften Vamps hat sie ihr Instrument auf ein neues Level gehoben. Durch Basslines oder einfühlsame Riffs treibt sie die Improvisationen ihrer Bandkolleg*innen voran, ist aber ebenso als vielseitige Solistin bekannt, die sowohl Melodien von schmerzhafter Schönheit produziert als auch explosive Texturen zu weben versteht. Niesciers Kompositionen auf dem im Jahr 2023 erschienenen Album „Beyond Dragons“ der beiden Musikerinnen mit Drummerin Savannah Harris jonglieren mit raffinierten Unisono-Themen, einem hitzigen Zusammenspiel und ekstatischen Improvisationen, die sich wie eine moderne, überdrehte Antwort auf das Trio Air mit Henry Threadgill ausnehmen. Bei ihrem Auftritt beim Jazzfest Berlin werden Niescier und Reid am Schlagzeug von Eliza Salem aus New York ergänzt.
19:30 – Felix Henkelhausen „Deranged Particles“ (AT, DE, GB, GR)
Percy Pursglove – Trompete
Philipp Gropper – Tenorsaxofon
Evi Filippou – Vibrafon, Marimba
Valentin Gerhardus – Sampling, Elektronik
Elias Stemeseder – Klavier, Cembalo, Synthesizer
Felix Henkelhausen – Kontrabass, Komposition
Philip Dornbusch – Schlagzeug, Perkussion
Der Bassist Felix Henkelhausen zog ursprünglich im Jahr 2014 aus seiner Heimatstadt Oldenburg nach Berlin, um das Jazz Institut Berlin zu besuchen. Doch dauerte es nicht lange, bis der passionierte Student zu einer festen Größe in der Szene der Stadt wurde. Als technisch versierter Musiker ist er mit seinem Gespür für Traditionen und seiner Experimentierfreudigkeit zu einem verlässlichen musikalischen Partner für die verschiedensten Akteur*innen geworden. Kein Geringerer als Schlagzeuger Jim Black verpflichtete Henkelhausen deshalb für seine aktuelle Band The Schrimps, in der Groove und Harmonie mit eindrucksvoller Energie aufeinandertreffen. Henkelhausen spielt zwar in zahlreichen Bands wie dem introspektiven und stiloffenen Klaviertrio Fare oder mit den elektronischen Eklektikern von TAU zusammen und leitet ein eigenes Quintett, doch verdeutlicht kein Projekt seine kompositorische Vielseitigkeit und seine konzeptionellen Stärken als Bandleader so eindringlich wie Deranged Particles.
Henkelhausen gründete die Band mit der Absicht, sich Stücken zu widmen, die von kniffligen rhythmischen Umkehrungen getragen werden und über den Post-Bop-Sound hinausgehen, für den er weithin gefeiert wird. Das Septett besteht aus einer Reihe von Musiker*innen aus Berlin und Köln, darunter der Tenorsaxofonist Philipp Gropper, der in New York lebende Keyboarder Elias Stemeseder und die Vibrafonistin Evi Filippou. Sie unterstützen den Bandleader dabei, der von einem komplexen elektroakustischen Timbre und rasanten Stop-Start-Grooves geprägten Musik eine futuristische Note zu verleihen. Die eigenwillige Ästhetik der Band folgt ihrer ganz eigenen Grammatik und bedient sich dabei eines unerhörten Vokabulars. Es ist die Klangsprache einer zukünftigen Gesellschaft.
21:00 – Vijay Iyer & Wadada Leo Smith „Defiant Life“ (US)
Vijay Iyer – Klavier, E-Piano, Elektronik
Wadada Leo Smith – Trompete
Als Pianist Vijay Iyer von Trompeter Wadada Leo Smith vor zwei Jahrzehnten für das Golden Quartet angefragt wurde, nahm die Zusammenarbeit dieser beiden Musiker ihren Anfang. Iyer stieg zum Partner Smiths auf, als sie ihr seit mittlerweile einigen Jahren bestehendes Duo gründeten, das sich mit musikalischen Mitteln den drängenden gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit stellt. Ihr zweites Album „Defiant Life“ setzt sich mit der Conditio humana auseinander und erforscht sowohl das Leiden als auch die Widerstandsfähigkeit des Menschen. Dazu Iyer: „Diese Aufnahmesession wurde von unserer anhaltenden Trauer und Empörung über die Grausamkeiten des vergangenen Jahres bestimmt, aber auch von unserem Glauben an die menschlichen Möglichkeiten.“
Die leise brodelnde Intensität der Musik der beiden Ausnahmemusiker vereint düstere, bisweilen gar bedrohlich wirkende Harmonien mit melodiösen Einsätzen, die vor spiritueller Verletzlichkeit nur so strotzen. In einem Stück wie „Sumud“ etwa strahlt Smiths zurückhaltendes Spiel eine erschütternde Schönheit aus. Das vormalige Mitglied der einflussreichen Chicagoer Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) ist ein Komponist, der sich sein eigenes musikalisches Universum geschaffen hat. Er befindet sich gerade auf seiner letzten Europatournee und erweitert in deren Rahmen auch dieses berauschende Projekt mit Iyer, seinerseits einer der tiefgründigsten und flexibelsten Musiker*innen des 21. Jahrhunderts.
Marta Sánchez – Klavier
Matt Penman – Kontrabass
Savannah Harris – Schlagzeug
Die spanische Pianistin und Komponistin Marta Sánchez lebt seit 2011 in New York und hat sich zu einer der zentralen Figuren in der dortigen Jazzszene entwickelt. Seit einer Weile ist sie Mitglied des Quartetts von Saxofonist David Murray und im Vorjahr stellte sie mit dem Album „Perpetual Void“ ihr eigenes Trio vor.
Im Jahr 2011 zog die Pianistin Marta Sánchez im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums von Spanien in die USA, um an der New York University Jazz zu studieren. Sie hatte bereits einige Alben in ihrer Heimatstadt Madrid aufgenommen und etablierte sich innerhalb kürzester Zeit in der lebhaften Szene ihrer neuen Wahlheimat als eine von deren besten Mainstream-Pianist*innen. Schon früh arbeitete Sánchez mit anderen Zugezogenen wie den beiden Saxofonisten Jérôme Sabbagh aus Frankreich und Román Filiú aus Kuba zusammen. Im Laufe der Jahre kamen weitere hinzu, darunter der erfahrene Saxofonist David Murray, der Sánchez für sein gefeiertes neues Quartett gewinnen konnte, das am Freitagabend beim Jazzfest Berlin auftritt.
Im vergangenen Jahr stellte Sánchez ihr eigenes neues Trio vor und lieferte mit ihm ihr bisher stärkstes Werk ab: „Perpetual Void“. Bassist Chris Tordini und Schlagzeugerin Savannah Harris treiben die Pianistin als Rhythmussektion in neue Richtungen und bilden mit sich ständig morphender, polyrhythmischer Verve gekonnt ein Gegengewicht zu den eher poetischen Qualitäten von Sánchez’ Spiel. Wie der Titel des neuen Albums schon andeutet, wurde ihr jüngstes Werk durch den Verlust ihrer Mutter im Jahr 2020 beeinflusst, der in einer jahrelang anhaltenden, lähmenden Schlaflosigkeit resultierte. Diese Erfahrung floss in Sánchez’ bisher kinetischstes und vielseitigstes Werk ein. An diesem Abend wird Tordini von Matt Penman am Bass vertreten.
Gregg Belisle-Chi – E-Gitarre
Tim Berne – Altsaxofon
Tom Rainey – Schlagzeug
Der New Yorker Saxofonist Tim Berne hat eine ganze Generation europäischer Musiker*innen beeinflusst. Beim Jazzfest Berlin stellt er sein neues Trio CAPATOSTA mit Tom Rainey am Schlagzeug und Gregg Belisle-Chi an der Gitarre vor. Gemeinsam spinnen sie dichte, ineinander verwobene Melodiefäden aus sich ständig wandelnden Klängen.
Im Schaffen des Saxofonisten Tim Berne nimmt die Gitarre immer wieder einen besonderen Platz ein. Über die Jahre hinweg wurden seine Bands von unter anderem Bill Frisell, Nels Cline und Marc Ducret komplettiert, die mittels labyrinthischer Unisoni und zackigen Kontrapunkten engmaschige Klangkomplexe schufen. Diese Musik übte einen tiefgreifenden Eindruck auf den jungen Gitarristen Gregg Belisle-Chi aus Seattle aus. Nach dem Vorbild von Matt Mitchell, der auf seinem Album „Førage“ aus dem Jahr 2017 eine Reihe von Berne-Kompositionen auf das Klavier übertrug, interpretierte Belisle-Chi für sein 2021 veröffentlichtes Solo-Album „KOI“ einige von Bernes einfallsreichen Stücken auf der Gitarre neu. Berne zeigte sich von dieser Interpretation sehr beeindruckt.
Berne gründete gemeinsam mit Belisle-Chi das Trio CAPATOSTA und verpflichtete dazu den Ausnahmeschlagzeuger Tom Rainey, der mit ihm in den 1990er-Jahren in der Band Big Satan in der gleichen instrumentellen Konstellation spielte, damals noch mit Ducret an der Gitarre. Auf dem in diesem Jahr veröffentlichten Album „Yikes Too“ zeigt sich das neu formierte Trio ebenso angriffslustig wie intensiv, doch wirkt die Musik umso konzentrierter und eingespielter. So tricky Bernes Kompositionen auch sein mögen: Dieses Trio spielt sie mit unvergleichlicher Leichtigkeit und verzahnt mit unablässiger Energie seine Melodien mit rhythmischen Patterns und musikalischen Interaktionen von besonderer Komplexität. Der direkte wie auch indirekte Einfluss von Bernes Musik auf den europäischen Jazz, vor allem mit seinem Quartett Bloodcount, ist kaum zu beziffern. Doch hat sich der Saxofonist nie auf seinen Lorbeeren ausgeruht, sondern richtet seinen Blick konsequent nach vorn.
Signe Emmeluth // David Murray Quartet // Makaya McCraven
Der Festivalfreitag eröffnet im Festspielhaus mit der Deutschlandpremiere von Signe Emmeluths preisgekrönter Suite „BANSHEE“. Anschließend präsentiert das schillernde Quartett des Saxofonisten David Murray mit „Birdly Serenade“ das Debütalbum der Gruppe. Einen bravourösen Abschluss findet das Programm mit einem Auftritt des eingespielten Quartetts um den Chicagoer Schlagzeuger und Bandleader Makaya McCraven.
18:30 – Signe Emmeluth „BANSHEE“ (DK, LV, NO, US) – Deutschlandpremiere
Signe Emmeluth – Altsaxofon, Elektronik, Stimme, Komposition
Guoste Tamulynaite – Klavier, Synthesizer, Stimme
Jennifer Torrence – Perkussion, Stimme
Guro Skumsnes Moe – E-Bass, Kontrabass, Stimme
Heiða Karine Jóhannesdóttir Mobeck – Tuba, Elektronik, Stimme
Anne Efternøler – Trompete, Stimme
Maja S. K. Ratkje – Stimme, Elektronik, Violine
In der jüngeren Zeit hat sich die in Oslo ansässige dänische Saxofonistin und Komponistin Signe Emmeluth europaweit einen Namen in der Szene für improvisierte Musik gemacht. Sie leitet das Quartett Amoeba, bringt sich in der Gruppe Acoustic Unity von Gard Nilssen ein und kultiviert als Solistin eine künstlerische Praxis, die von unbedingter musikalischer Neugier geprägt ist. Mit der Suite „BANSHEE“ offenbart sie eine weitere Facette ihres Schaffens. Das wilde, disparate Stück bettet berauschende Improvisationen in einen strukturierten Rahmen ein und entzieht sich leichtfüßig allen Kategorisierungsversuchen. Das ausgezeichnete Line-up ihrer Band setzt sich aus verschiedenen Ecken der musikalischen Landkarte Norwegens zusammen: Die legendäre Sängerin und Krachmacherin Maja S. K. Ratkje und die Neue-Musik-Perkussionistin Jennifer Torrence treffen auf die Noise-versessene Experimentalbassistin Guro Skumsnes Moe und die temperamentvolle Tubistin Heiða Karine Jóhannesdóttir Mobeck.
Emmeluth bezieht sich auf die Mythologie um die titelgebende irische Sagenfigur und nimmt sie als Ausgangspunkt, um Fragen über das Leben und unsere Ansprüche daran zu stellen. Die Musik splittert durch den Raum, schwankt zwischen rituellen Rhythmusübungen, freier Improvisation, Kriegsgeheul, Kammermusik und vielem mehr. Sie entzieht sich somit nicht nur jedem Versuch einer musikalischen Einordnung, sondern erschafft vielmehr ihre eigene Klangwelt sui generis. Die Studioaufnahme von „BANSHEE“ wurde mit dem renommierten Spellemannprisen (dem norwegischen Gegenstück zu den GRAMMYS) ausgezeichnet, beim diesjährigen Jazzfest Berlin feiert das Stück seine Deutschlandpremiere. Mit dabei sind unter anderem die Keyboarderin Guoste Tamulynaite und die Trompeterin Anne Efternøler.
20:00 – David Murray Quartet „Birdly Serenade“ (ES, US) – Deutschlandpremiere
David Murray – Tenorsaxofon, Bassklarinette
Marta Sánchez – Klavier
Luke Stewart – Kontrabass
Russell Carter – Schlagzeug
David Murray ist Jazz-Großmeister und ein altgedienter Tenorsaxofonist, Bassklarinettist, Bandleader und Komponist, dessen Produktivität und Zielstrebigkeit auch nach fünf Jahrzehnten im Geschäft keineswegs nachgelassen haben. Er kam nach New York, als die dortige Loft-Jazz-Szene auf ihrem Höhepunkt stand, etablierte sich aber bald schon als führende Figur einer neuen Generation, die kreative Akzente setzte und die Kluft zwischen Tradition und Avantgarde überbrückte. Angefangen mit den Gospelrufen eines Albert Ayler bis hin zur beschwingten Freude eines Sidney Bechet bezieht sich Murrays Spiel auf die reichhaltige Geschichte des Jazz. Seine eigenen Kompositionen sind im Post-Bop verwurzelt und seine infektiösen Melodien von der Beseeltheit des klassischen Ryhthm and Blues durchdrungen.
In jüngerer Zeit hat er sich mit zwei sehr unterschiedlichen Bands wieder ins Rampenlicht gespielt. Eine davon ist ein explosives Trio mit einer feurigen norwegischen Rhythmussektion bestehend aus Drummer Paal Nilssen-Love und Bassist Ingebrit Håker Flaten. Heute Abend jedoch betritt Murrays exzellentes US-amerikanisches Quartett mit Bassist Luke Stewart, Schlagzeuger Russell Carter und Pianistin Marta Sánchez – die am Donnerstagabend mit ihrem eigenen Trio im A-Trane beim Jazzfest Berlin zu erleben sein wird – die Bühne. Anfang des Jahres veröffentlichte das Quartett das Album „Birdly Serenade“, das sich thematisch mit dem Singen der Vögel auseinandersetzt. Das Titelstück mit dem zarten Gesang von Gastsängerin Ekep Nkwelle klingt zunächst danach, als würde es sich um einen brandneuen Jazz-Standard handeln. Doch wenn Murray seine flatternden, gleitenden, sich emporschwingenden Melodien ausbreitet, beeindruckt seine solistische Stimme daran am meisten.
21:30 – Makaya McCraven (FR, US)
Makaya McCraven – Schlagzeug, Elektronik
Junius Paul – E-Bass
Matt Gold – E-Gitarre
Marquis Hill – Trompete
Der Chicagoer Schlagzeuger und Bandleader Makaya McCraven gehört zu den Schlüsselfiguren einer neuen musikalischen Bewegung, die ihre Wurzeln im Jazz hat und doch weit über dessen Grenzen hinausgeht. Im Zentrum seiner breit gefächerten Ästhetik stehen Konzepte wie die Improvisation und die Echtzeitkomposition, doch verweigert er sich jedweder Kategorisierung. Sein Aufstieg ist eng mit dem des Chicagoer Labels International Anthem verbunden, das in seiner Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Künstler*innen ebenfalls eine ganzheitliche Sensibilität dem bloßen Purismus vorzieht. Auf McCravens jüngstem Album für das Label, „In These Times“, nutzte er das Studio für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte Schwarzer Musik und insbesondere den symphonischen Arbeiten von Figuren wie Charles Stepney für Chess Records oder Curtis Mayfield. Er verschmolz den Jazz und R&B der 1970er-Jahre mit orchestraler Vielschichtigkeit und verlieh dem Ganzen einen frischen, vom Hip-Hop beeinflussten rhythmischen Schub.
Seinen Durchbruch erlebte der Schlagzeuger im Jahr 2015 mit dem Album „In The Moment“, auf dem er mit groove-orientierten Improvisationen arbeitete. Diese fügte er als Produzent zu komplexen Gebilden zusammen und ließ dabei moderne Studiotechniken mit fieberhaften Live-Sessions kollidieren. Diese Vorgehensweise hat ihm eine Vielzahl von musikalischen Möglichkeiten eröffnet, die von der reinen Improvisation bis hin zu ausgefeilten Arrangements von im Studio entworfenen Blaupausen reicht. Das Publikum darf gespannt darauf sein, welches Programm McCravens agiles Quartett mit dem Trompeter Marquis Hill, dem Gitarristen Matt Gold und dem Bassisten Junius Paul in den drei Jahren seit der Veröffentlichung von „In These Times“ für die Bühne entwickelt hat.
Lina Allemano – Trompete, Komposition
Brodie West – Altsaxofon
Andrew Downing – Kontrabass
Nick Fraser – Schlagzeug
Die kanadische Trompeterin Lina Allemano pendelt zwischen Toronto und Berlin und hat dabei in beiden Städten verschiedene Bands gegründet. Beim Jazzfest Berlin präsentiert sie ihre am längsten bestehende Gruppe: Mit drei anderen Schwergewichten aus Toronto bringt sie ihre Post-Bop-Kompositionen mit Stil und Swing auf die Bühne.
Die Trompeterin Lina Allemano kommt ursprünglich aus Toronto, hat in den vergangenen Jahren aber einen Großteil ihrer Zeit in Berlin verbracht. Während sie zwischen den Metropolen hin- und herpendelte, hat sie in beiden Städten Bands gegründet. Mit dem exzentrischen Berliner Trio Ohrenschmaus mit Michael Griener und Dan Peter Sundland trat sie bereits 2020 beim Jazzfest Berlin auf, aber bei der diesjährigen Festivaledition stellt sie endlich ihre am längsten bestehende Gruppe live vor. Bei Lina Allemano Four gesellen sich die kanadischen Kolleg*innen Nick Fraser am Schlagzeug, Brodie West am Saxofon und Andrew Downing am Bass zur Bandleaderin. Das Quartett unternimmt ergebnisoffene Exkursionen in die Gefilde von tiefenentspanntem Freebop, durchdrungen von lässig erweiterten Techniken. Auf dem pünktlich zum Festivalbeginn erscheinenden neunten Album „The Diptychs“ klingt die Band so eingespielt und kühn wie noch nie.
Allemanos melodienreiche Stücke ermöglichen den einzelnen Bandmitgliedern aufregende Konversationen im Duo-, Trio- oder Quartettformat. Die Bandleaderin baut jedes ihrer Stücke auf einer Reihe unterschiedlicher Passagen auf und lässt ihre Kompositionen aus wechselnden Begegnungen und im ständigen Austausch entstehen – ein faszinierendes Geflecht multilinearer Möglichkeiten. Gelegentlich liefert die Rhythmusgruppe einen rasanten Groove für die Frontline, genauso oft aber tanzt eines der Blasinstrumente mit dem Bass oder wird in einen Schlagzeugwirbel verwickelt. So verändert sich die Perspektive der Musik laufend. Das Quartett verinnerlicht geschickt die Motive Allemanos und verwandelt das notierte Material instinktiv auf die erstaunlichsten Weisen. Die Vertrautheit ihrer Melodien wird von der Gruppe aufgesogen, regelmäßig werden aber auch deren erwartete Auflösungen infrage gestellt. Bei ihrem Sound jagt eine Überraschung die nächste.
Jawwaad Taylor – Trompete, Rhymes, Elektronik, Programming
Jason Jackson – Tenor- und Baritonsaxofon
Stefan González – Vibrafon, Schlagzeug, Perkussion, Stimme
Jonathan F. Horne – Gitarre
Ingebrigt Håker Flaten – Kontrabass, E-Bass
Frank Rosaly – Schlagzeug, Elektronik, Programming
Der phänomenale norwegische Bassist Ingebrigt Håker Flaten gründete The Young Mothers kurz nach seinem Umzug ins texanische Austin im Jahr 2009. Weil er in der Szene der Stadt Verbindungen schmieden wollte, rekrutierte er für das Sextett eine heterogene Gruppe von Musiker*innen, darunter auch ein alter Weggefährte aus Håker Flatens Zeit in Chicago, der Schlagzeuger Frank Rosaly. Die Mitglieder brachten unterschiedliche stilistische Interessen mit, doch ihre Hingabe und ihr musikalisches Können ermöglichten es ihnen, sich nicht in einem Durcheinander zu verrennen und stattdessen ein freudvolles, leidenschaftliches Miteinander zu schaffen. Im Jahr 2019 spielte die Band ein mitreißendes Konzert beim Jazzfest Berlin, bevor die Pandemie die Welt auf den Kopf stellte und Håker Flaten sich gezwungen sah, nach Norwegen zurückzukehren.
Rosaly lebte zu dieser Zeit bereits in Amsterdam, weshalb die Band der geografischen Entfernung wegen auf Eis gelegt wurde. Ihr Wille jedoch blieb ungebrochen. Vor ein paar Jahren taten sich The Young Mothers wieder zusammen und veröffentlichten im Vorjahr ihr drittes und bisher bestes Album „Better If You Let It“, auf der das komponistische Talent von Trompeter und Rapper Jawwaad Taylor ebenso voll zum Tragen kam wie sein Können an der Drummachine. Tiefschürfender, gefühlvoller Post-Bop bildet das Fundament für die Musik der Gruppe, doch wendet sie sich gleichsam immer wieder dem Hip-Hop zu oder streift sogar – unterstützt vom Gebrüll des Perkussionisten Stefan González – durch Extreme-Metal-Gefilde. Der agile Gitarrist Jonathan F. Horne kann sowohl schreddern als auch swingen und der hitzige Saxofonist Jason Jackson vermag immer wieder alles auf die Basis, den Jazz, zurückzuführen. Was The Young Mothers als Band aber so besonders macht, ist ihre kollektive Entschlossenheit.
Amirtha Kidambi – Stimme, Harmonium
Matt Nelson – Sopransaxofon
Alfredo Colón – Tenorsaxofon
Lester St. Louis – Kontrabass
Jason Nazary – Schlagzeug
Die Sängerin und Keyboarderin Amirtha Kidambi ist eine der kompromisslosesten Persönlichkeiten in der improvisierten Musik – eine Künstlerin, die ihre Überzeugungen nicht versteckt, sondern offen zur Sprache bringt. Unterstützung erhält sie dabei von einem herausragenden Quartett, das Spiritualität und die Rechtschaffenheit von Free Jazz zusammendenkt.
Die Musikgeschichte ist voll von Künstler*innen, die ihre Arbeit sowohl als Plattform für gesellschaftlichen Wandel als auch als kreativen Ausdruck nutzten. Nur wenige Improvisationsmusiker*innen allerdings sind so kämpferisch und stimmgewaltig wie die Sängerin, Komponistin und Keyboarderin Amirtha Kidambi, die ihre vielseitige Free-Jazz-Band Elder Ones als Megafon für ihre leidenschaftlichen Plädoyers einsetzt. Auf dem fesselnden Album „New Monuments“ hat sie im Vorjahr unter dem Eindruck der Ermordung von George Floyd und der weltweiten Pandemie einen eindringlichen Rundumschlag vorgenommen. Kidambi war aktiv an den Protesten beteiligt, die als Reaktion auf die Politik der ersten Trump-Administration ausbrachen. Zugleich konnte sie aus erster Hand miterleben, wie das gemeinsame Musizieren seltene Momente des Spannungsabbaus bewirken kann.
Diese Erfahrungswerte sind in die Musik des Ensembles Elder Ones eingeflossen, mit dem sie eine furiose Kollision von Free Jazz und indischer Spiritualität in der Tradition einer Alice Coltrane entwickelte. Seit den Aufnahmesessions im Jahr 2023 hat sich die Band zu ihrer bislang stärksten Besetzung zusammengefunden: Matt Nelson und Alfredo Colón am Saxofon gesellen sich zur Rhythmusgruppe bestehend aus Kontrabassist Lester St. Louis, der zuvor als Cellist bei den Elder Ones spielte, und Schlagzeuger Jason Nazary, beide bekannt für ihre intensive Zusammenarbeit mit der 2022 verstorbenen, dem Jazzfest Berlin eng verbundenen Jaimie Branch. Die Elder Ones werden bei der diesjährigen Festivalausgabe Stücke von einem neuen Album präsentieren, und in Anbetracht des Zustands dieses Planeten ist von der musikalisch furchtlosen Bandleaderin eine Menge zu erwarten.
Die Vokalistin und Komponistin Lauren Newton wird von der Deutschen Jazzunion für ihr Lebenswerk und ihre Verdienste für den Jazz in Deutschland mit dem Albert-Mangelsdorff-Preis 2025 ausgezeichnet.
Im Rahmen des Jazzfest Berlin findet neben dem Festakt der Verleihung durch die Deutsche Jazzunion ein Konzert mit der Preisträgerin und der französischen Kontrabassistin Joëlle Léandre statt.
Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei. Weitere Informationen zur Anmeldung werden am 1. Oktober bekannt gegeben.
Line-up Preisträger*innenkonzert
Lauren Newton – Stimme
Joëlle Léandre – Kontrabass
Julia Brüssel – Violine
Marie Daniels – Stimme
Maria Trautmann – Posaune
Emily Wittbrodt – Violoncello
hilde sind so etwas wie Galionsfiguren für die stilübergreifende Vielfalt der umtriebigen Musikszene Kölns und weigern sich konsequent, sich nur auf einen musikalischen Ansatz zu beschränken. Den lyrischen Gesang von Marie Daniels umschließen sie mit üppigen kammermusikalischen Arrangements, die anschlussfähig an Pop und Free Jazz sind.
Die kreative Kölner Musikszene bietet ein Klima, in dem abenteuerlustige Musiker*innen aus verschiedenen Traditionen die Grenzen zwischen den Genres überschreiten können – ob nun aus individueller Neugierde oder gemeinschaftlicher Entschlossenheit. Nur wenige Ensembles spiegeln diese Vielfalt so anschaulich wider wie hilde. Das vielseitige Quartett verbindet die raffinierten Arrangements der Kammermusik mit den eleganten Melodien des Kunstliedes und den improvisatorischen Exkursen des Free Jazz. Auf dem jüngsten Album „Tide“ bildet der ausdrucksstarke, präzise Gesang von Marie Daniels das Gravitationszentrum der sich stetig wandelnden Arrangements von Cellistin Emily Wittbrodt, Violinistin Julia Brüssel und Posaunistin Maria Trautmann – er wird von ihnen wieder und wieder ins Zentrum gerückt, verstärkt oder doch unter der Musik begraben.
Ähnlich wie das Schaffen einer stetig wachsenden Anzahl von zeitgenössischen Improvisationsmusiker*innen lässt sich auch die herausragende Musik von hilde nicht einem bestimmten Genre zuordnen. Seine lässige Flexibilität ebenso wie seine Hingabe an die Geschichte und Grundlagen jedes der von ihm aufgegriffenen Stile machen das Quartett allerdings absolut einzigartig. Während eines einzelnen Auftritts erwecken hilde den Eindruck, mehrere Bands würden gleichzeitig auf der Bühne stehen. Die beeindruckende musikalische Bandbreite der Gruppe entspringt allerdings nur in zweiter Instanz einer gewissen Anpassungsgabe, vielmehr lässt sie sich auf eine einzige ästhetische Quelle zurückführen: Die Mitglieder des Quartetts haben sich dem Ziel verschrieben, anspruchsvolle, stringente Musik zu machen – ganz egal, in welcher Form.
Mary Halvorson // London Jazz Composers Orchestra // Patricia Brennan Septet
Mary Halvorsons Amaryllis Sextet bringt den scharf gespielten, poetischen Einfallsreichtum in den Improvisationen der Gitarristin zum Vorschein. Das Programm am Festivalsamstag geht im Haus der Berliner Festspiele weiter mit dem von Bassist Barry Guy in den frühen 1970er-Jahren gegründeten internationalen London Jazz Composers Orchestra. Zuletzt betritt Vibrafonistin Patricia Brennans mit ihrer als Septett erweiterten Band die Große Bühne, ihr jüngstes Album „Breaking Stretch“ im Gepäck.
20:00 – Mary Halvorson’s Amaryllis Sextet (MX, US)
Mary Halvorson – Gitarre
Adam O’Farrill – Trompete
Jacob Garchik – Posaune
Patricia Brennan – Vibrafon
Nick Dunston – Kontrabass, E-Bass
Tomas Fujiwara – Schlagzeug
Es ist weithin bekannt, dass sich Mary Halvorson zu einer der führenden Gitarrist*innen des Jazz und der improvisierten Musik entwickelt hat. Als Musikerin von unendlicher Neugier und einem unaufhaltsamen Wachstumsdrang schafft sie mit ihren Improvisationen einen Sound mit Wiedererkennungswert. Doch im Laufe ihrer Karriere hat auch ihr Interesse an der Komposition und dem Arrangement von Musik sie neue Wege beschreiten lassen. Ihr Können und ihre Vorstellungskraft in diesen Bereichen stehen nunmehr auf einer Stufe mit ihrem improvisatorischen Scharfsinn. Halvorson hat schon zuvor für größere Ensembles komponiert, als sich ihr Gründungstrio stufenweise zu einem Oktett ausweitete. Als sie jedoch zu Beginn der Pandemie das Amaryllis Sextet gründete, brachte sie sich mit noch stärkeren, ausgereifteren Ideen ein.
Für das hochkarätige Ensemble mit Posaunist Jacob Garchik, Trompeter Adam O’Farrill, Schlagzeuger Tomas Fujiwara, Bassist Nick Dunston und der an diesem Abend mit ihrem eigenen Septett im Programm vertretenen Vibrafonistin Patricia Brennan schrieb sie ein ganzes Buch voller Stücke. Anfang dieses Jahres veröffentlichte Halvorson „About Ghosts“, ihr viertes Album mit Amaryllis. Um ihrem kreativen Überschwang gerecht zu werden, engagierte sie mit Immanuel Wilkins und Brian Settles zwei exzellente Saxofonisten als Gastmusiker für dieses Album, die das Sextett ergänzten und für noch mehr Kontrapunkte und harmonischen Reichtum sorgten. Bei den Stücken handelt es sich wie gewohnt um einprägsame, zackige Wunderwerke, die von raffinierten Wendungen geprägt sind, Raum für Improvisationen lassen und den Solist*innen ausreichend Gelegenheiten bieten, sich auszutoben. Halvorson hat im Laufe der Jahre in verschiedenen Konstellationen beim Jazzfest Berlin gespielt, bei diesem Auftritt handelt es sich aber um das Berlin-Debüt des Amaryllis Sextet.
21:30 – London Jazz Composers Orchestra, Marilyn Crispell & Angelica Sanchez „Double Trouble III“ von Barry Guy (AU, CH, DE, GB, NO, US) – Uraufführung
Barry Guy – Kontrabass, Leitung
Marilyn Crispell – Klavier
Angelica Sanchez – Klavier
Torben Snekkestad – Tenor- und Sopransaxofon
Michael Niesemann – Altsaxofon
Julius Gabriel – Baritonsaxofon
Simon Picard – Tenorsaxofon
Mette Rasmussen – Altsaxofon
Henry Lowther – Trompete
Percy Pursglove – Trompete
Charlotte Keeffe – Trompete
Andreas Tschopp – Posaune
Shannon Barnett – Posaune
Marleen Dahms – Posaune
Marc Unternährer – Tuba
Philipp Wachsmann – Violine
Christian Weber – Kontrabass
Lucas Niggli – Perkussion
Der Bassist Barry Guy hebt sich in den Annalen der improvisierten Musik dadurch ab, dass er in seinen groß angelegten Kompositionen scheinbar gegensätzliche Praktiken miteinander versöhnt hat. Für „Ode“, seine allererste Aufnahme als Bandleader des London Jazz Composers Orchestra, versammelte er einige der radikalsten Erneuerer seiner Zeit um sich, um das konzertlange Stück zu spielen – darunter Derek Bailey, Evan Parker und Tony Oxley. Ihre unverwechselbaren Persönlichkeiten wirkten auf die dicht konfigurierten Stücke ein, die vor Energie nur so brodelten, rauchten und swingten. In den vergangenen Jahrzehnten hat Guy immer wieder sein Können in der freien Improvisation unter Beweis gestellt und gleichzeitig seine Virtuosität als unvergleichlicher Interpret klassischer Musik verfeinert. Aber auch sein London Jazz Composers Orchestra hat sich weiterentwickelt.
Im Jahr 1989 komponierte er „Double Trouble“ für das LJCO im Rahmen von dessen Partnerschaft mit Alexander von Schlippenbachs Globe Unity Orchestra, damals für den Leader und Howard Riley an zwei Klavieren. Doch bei der ersten Aufnahme und der anschließenden Aufführung war nur Guys Ensemble zu hören. Im Jahr 1998 nahm er das Werk erneut auf, indem er das Material überarbeitete und sowohl Marilyn Crispell als auch die 2024 verstorbene Irène Schweizer hinzuholte. Es ist nach wie vor eines seiner bedeutsamsten Werke und wird doch wegen des hohen Aufwands keineswegs so oft live aufgeführt, wie es sollte. Guy hat das Stück für das diesjährige Jazzfest Berlin reanimiert. Er präsentiert eine dritte Version des Meisterwerks mit Crispell – die bei der letztjährigen Festivalausgabe mit einer atemberaubenden Soloperformance brillierte – und der US-amerikanischen Pianistin Angelica Sanchez. Da eine Reihe der Interpret*innen des Originals bereits verstorben sind, werden Veteran*innen wie der Violinist Philipp Wachsmann und der Tenorsaxofonist Simon Picard von einer neueren Besetzung unterstützt, zu der unter anderem Mette Rasmussen, Lucas Niggli und Shannon Barnett gehören. Zu Beginn der Veranstaltung wird Marilyn Crispell der Instant Award for Improvised Music 2025 verliehen.
23:15 – Patricia Brennan Septet „Breaking Stretch“ (CU, JM, MX, US) – Deutschlandpremiere
Patricia Brennan – Vibrafon
Jon Irabagon – Alt- und Sopraninosaxofon
Mark Shim – Tenorsaxofon
Adam O’Farrill – Trompete
Kim Cass – Kontrabass
Dan Weiss – Schlagzeug
Mauricio Herrera – Perkussion
Seit der Veröffentlichung ihres Solodebüts „Maquishti“ im Jahr 2021 hat Patricia Brennan vor den Augen der Öffentlichkeit eine künstlerische Wandlung durchlaufen. Die in New York ansässige, mexikanische Vibrafonistin legt ein glänzendes Gespür für Harmonie und ein nicht minder beeindruckendes Feingefühl für elektronisch erweiterte Klänge an den Tag, vergleichbar etwa mit der breiten Palette, die Mary Halvorson ihrer E-Gitarre zu entlocken weiß. Brennans Ruf als meisterhafte Improvisationsmusikerin eilt ihr schon seit Jahren voraus, ihre Entwicklung als Komponistin hat nunmehr dazu aufgeschlossen. Auf „Breaking Stretch“ leitet sie ein gleichermaßen druckvolles wie agiles Septett, das sich durch dichte Wunderwerke navigiert, die Groove und Melodie in Einklang bringen. Die Einflüsse dieses Sounds sind auf Brennans vielseitige musikalischen Interessen wie auch ihre lokale Verwurzelung zurückzuführen: Sie bezieht sich auf Rhythmen aus dem karibischen Kulturraum und geht zugleich weit über sie hinaus.
Angeführt vom hartnäckig pulsierenden Bass von Kim Cass weben Schlagzeuger Dan Weiss und Perkussionist Mauricio Herrera dichte Rhythmen. Das schafft Raum für Brennans Performance und die elegant miteinander verknoteten Bläsereinsätze der Saxofonisten Jon Irabagon und Mark Shim sowie von Trompeter Adam O’Farrill. Die Musik basiert auf einem Fundament fiebriger Rhythmen, die von einem ständigen Wechsel der Klangfarben – ein unvermitteltes Bass-Solo, halsbrecherische Bläser-Riffs, gehaltene Töne – immer wieder durchbrochen wird. In den kleinsten Details ebenso wie als großes Ganzes verdeutlicht „Breaking Stretch“ Brennans kompositorisches Können.
Der Gitarrist Marc Ribot ist bekannt für seine wilden Improvisationen, zugleich war er schon immer ein Meister amerikanischer Roots-Musik. Nun brilliert er auf seinem Album „Map of a Blue City“ als Singer-Songwriter. An Ribots Soloauftritt schließt MOPCUT an, eine der schrillsten Improvisationsgruppen Europas. Dabei steigert der Gast-Rapper MC Dälek die Intensität des furiosen Funks von Drummer Lukas König, die bahnbrechenden Gesangsleistungen von Audrey Chen und den effektbeladenen Gitarren-Noise von Julien Desprez noch weiter.
22:30 – Marc Ribot „Map of a Blue City“ (US) – Deutschlandpremiere
Marc Ribot – Gitarre, Stimme
Obwohl der Gitarrist Marc Ribot der Szene für experimentelle Musik in New York seit Jahrzehnten angehört und bis tief in all ihre unterschiedlichen Verästelungen vernetzt ist, hat er sich im Laufe seiner beeindruckenden Karriere als Wandelnder und Wanderer bewiesen, der sich immer wieder durch neue Kontexte bewegt. Seit einiger Zeit leitet er das skurrile Trio Ceramic Dog und beschäftigte sich zuletzt mit Protestsongs sowie mit der vertrackten Neuen Musik seines Kollegen John Zorn. Doch sollte nicht vergessen werden, dass er einige der größten – und teilweise schrägsten – Momente US-amerikanischer Roots-Musik mitkreierte und gemeinsam mit Legenden wie Wilson Pickett, Rufus Thomas, Brother Jack McDuff, Elvis Costello oder Tom Waits auf Tour war und im Studio stand.
Diese musikalischen Wurzeln haben auch im Rahmen seiner experimentelleren Projekte immer wieder Blüten getrieben, doch veröffentlichte Ribot erst Anfang dieses Jahres mit „Map of a Blue City“ sein erstes songorientiertes Album. Kontrollierter und nuancierter hat er seine Stimme noch nie eingesetzt und schafft so eine charmante Intimität, während er zugleich eine unvergleichliche Lockerheit an den Tag legt. Das lädt seine eigenen Texte, zu denen sich die Neubearbeitung eines Songs der Carter Family ebenso gesellt wie eine originelle Vertonung eines Allen-Ginsberg-Gedichts, mit mehr Schlagkraft und authentischem Gefühl auf. An einschneidenden Gitarrensoli mangelt es diesem Album aber keineswegs, und allein mit dem schnörkellosen Soul-Blues von „Say My Name“ schwingt er sich mit verletzlichem Falsett in laszive Höhen auf, während er mit „Daddy’s Trip to Brazil“ den Reisebericht eines Sonderlings als Bossa Nova vertont.
23:30 – MOPCUT feat. MC Dälek „Ryok“ (AT, FR, US) – Deutschlandpremiere
Lukas König – Schlagzeug, Synthesizer, Stimme
Audrey Chen – Stimme, Analog-Elektronik
Julien Desprez – E-Gitarre
Will Brooks aka MC Dälek – Stimme, Eletronik
Mit der Gründung von MOPCUT erschufen der französische Gitarrist Julien Desprez, die in Berlin lebende US-amerikanische Stimmkünstlerin Audrey Chen und der österreichische Schlagzeuger Lukas König eine musikalische Welt des überbordenden Chaos. Sie bilden eine der eindringlichsten Gruppen im Bereich der improvisierten Musik überhaupt. Das Fundament bilden rasselnde, versetzte Funk-Grooves, auf die Noise und auftreibende Klangtexturen geschüttet werden, als handle es sich um musikalisches Action-Painting. Während König seine rasenden Beats entfesselt, nimmt Chen eine Doppelfunktion ein: Sie füllt die Leerräume mit schwerfälligen elektronischen Klängen und sperrigen synthetischen Bassläufen, während sie ihre Stimme als ultimativen Noise-Generator verwendet. Im Laufe eines jeden Stücks setzt sie eine Art von Vocal Fry ein, indem sie Töne in schnell fließende Knistergeräusche, Schreie und Keuchlaute im obersten Register sowie in schwindelerregende Glossolalie aufspaltet.
Unübertrefflich ist Desprez, der seine E-Gitarre als ungestümen Klangerzeuger einsetzt. Er ist Mitglied des anarchischen Kollektivs Abacaxi und arbeitet regelmäßig mit Trompeter Rob Mazurek und Saxofonist Mats Gustafsson zusammen, mit dem er beim Jazzfest Berlin am Sonntagabend als Teil des Fire! Orchestra auf der Bühne stehen wird. Mit seinen Füßen tänzelt er über eine unübersichtliche Reihe von Effektpedalen, mit denen er die seinem Instrument entlockten Töne endlos verwandelt und manipuliert. Anfang dieses Jahres veröffentlichte MOPCUT sein zweites, kompromisslos angriffslustiges Album „Ryok“. Neben der bereits mehrfach zum Jazzfest Berlin eingeladenen Künstlerin Moor Mother brachte sich darauf auch der US-amerikanische Rapper MC Dälek am Mikrofon ein. Er gesellt sich an diesem Abend auf der Bühne zu dem Trio, was eine umso spektakulärere Performance verspricht.
Eröffnet wird dieser Konzertnachmittag mit einem Programm der französischen Saxofonistin Sakina Abdou, deren Musik sich fließend zwischen den Polen von Cool und Free Jazz bewegt. Anschließend präsentiert das Trio The Handover, bestehend aus Keyboarder Jonas Cambien, Oudist Aly Eissa und Violinist Ayman Asfour, eine von druckvoller Improvisation getriebene Fusion von klassischer ägyptischer Musik und dem populären Straßensound Shaabi.
15:00 – Sakina Abdou Solo „Goodbye Ground“ (FR) – Deutschlandpremiere
Sakina Abdou – Tenor- und Altsaxofon
Die neugierigsten und vielseitigsten Musiker*innen haben es manchmal schwerer, auf sich aufmerksam zu machen, weil sie kaum auf diesen oder jenen Sound festzulegen sind. Die französische Saxofonistin Sakina Abdou, die beim Jazzfest Berlin 2023 als Mitglied von Eve Rissers Red Desert Orchestra einen denkwürdigen Auftritt hinlegte, ist so eine Musikerin. Wie ihr Spiel mit Risser verdeutlichte, ist sie eine Post-Bop-Meisterin mit lyrischer Anmut und rhythmischer Wildheit. Doch brilliert sie auch in vielen anderen Bereichen, darunter in der kammermusikalischen freien Improvisation mit der Pianistin Marta Warelis und dem Schlagzeuger Toma Gouband sowie bei der Interpretation der Musik des US-amerikanischen Experimentalisten Michael Pisaro-Liu als Mitglied des hervorragenden Lyoner Ensembles für neue Musik Muzzix.
Abdou hat im selben Zuge eine fesselnde Solopraxis für Alt- und Tenorsaxofon entwickelt. Wie auf dem herausragenden Album „Goodbye Ground“ aus dem Jahr 2022 zu hören ist, überwindet sie alle Grenzen zwischen einer agilen, post-coolen Altsaxofon-Melodik, die an die Schule von Lennie Tristano anknüpft, und einem harmonisch wilden Tenorsaxofon-Spiel, mit dessen dichtem, alles einhüllenden Getöse sie das Publikum vernebelt. Die Solo-Performance ist ein wesentlicher Bestandteil von Abdous künstlerischer Praxis. Darin zeigt sich die eigenwillige, überzeugende Konzentration ihrer umfassenden Interessen als Musikerin.
15:20 – The Handover (BE/NO, EG)
Aly Eissa – Oud
Ayman Asfour – Violine
Jonas Cambien – Keyboards
Jazz unterscheidet sich auf vielerlei Arten von anderen Musikstilen, ob nun durch seinen rhythmischen Charakter oder sein komplexes harmonisches Gerüst. Sein wesentliches Merkmal jedoch ist eine Praxis, die in jedem kulturellen Kontext zu finden ist: die Improvisation. Sie stellt eines der zentralen verbindenden Elemente zwischen dem in Oslo lebenden belgischen Jazz-Pianisten und Keyboarder Jonas Cambien sowie dem Violinisten Ayman Asfour und dem Oudisten Aly Eissa dar. Die zwei in klassischer arabischer Musik ausgebildeten ägyptischen Ausnahmekünstler gehen in ihrer Arbeit weit über regionale Traditionen hinaus. Asfour hat eng mit dem in Berlin ansässigen Multiinstrumentalisten und musikalischen Tausendsassa Maurice Louca zusammengearbeitet und kollaborierte zuletzt in einem traditionelleren Kontext mit Sänger Natik Awayez. Eissa hat sich als ebenso vielseitiger wie -schichtiger Komponist bewiesen, dessen bemerkenswertes Fusion-Album „Gouda Bar“ aus dem Jahr 2023 dem Publikum einen Einblick in die Tiefen seiner Schöpfungskraft gewährte. Während seiner regelmäßigen Besuche in Kairo lernte Cambien die beiden kennen und gründete mit ihnen The Handover.
Im Zentrum der Auftritte des Trios steht eine Komposition von Eissa, die ebenfalls den Namen „The Handover“ trägt. In dem zweiteiligen Stück kollidiert die maßvolle Eleganz der klassischen arabischen Musik mit dem tanzbaren, populären Musikstil namens Shaabi, ein aus den Straßen-Soundscapes von Ägyptens Großstädten nicht wegzudenkendes Genre. Mit seinen kunstvollen Darbietungen, die von Abend zu Abend unterschiedlich sind, unterläuft das Trio wieder und wieder die etablierten Formen beider Traditionen. Dass die drei dabei ohne Percussion auskommen, fällt nicht ins Gewicht: Die fordernden Violinenklänge, die einschneidenden Oudmelodien und Cambiens Arbeit an der Ace-Tone-Orgel und dem mikrotonalen Synthesizer erzeugen im Miteinander mehr als ausreichend Bewegung. So zelebrieren The Handover Traditionen, während sie sie im selben Zuge neu erfinden.
Amalie Dahl // Moabit Imaginarium // Pat Thomas // Fire! Orchestra
Am letzten Festivaltag präsentiert die Saxofonistin Amalie Dahl eine erweiterte Version ihres Quintetts Dafnie. Das Moabit Imaginarium gibt anschließend einen Einblick in die musikalischen Experimente, die das Ensemble aus zehn Moabiter Musiker*innen in der Festivalwoche erarbeitet hat, und der Pianist Pat Thomas integriert karibische Rhythmik und die Ideen eines Karlheinz Stockhausen in die freie Improvisation. In einem spektakulären Finale erweckt das Fire! Orchestra die Suite „Words“ mit poppigen Melodien und wilden Free-Jazz-Einsätzen zum Leben.
18:30 – Amalie Dahl’s Dafnie EXTENDED (AR, DK, NO, SE) – Deutschlandpremiere
Amalie Dahl – Saxofon, Komposition
Oscar Andreas Haug – Trompete
Jørgen Bjelkerud – Posaune
Sofia Salvo – Baritonsaxofon
Henriette Eilertsen – Flöte
Ida Løvli Hidle – Akkordeon
Lisa Ullén – Klavier
Anna Ueland – Synthesizer
Paal Nilssen-Love – Schlagzeug
Ingebrigt Håker Flaten – Kontrabass
Nicolas Leirtrø – Kontrabass
Veslemøy Narvesen – Schlagzeug
Die in Norwegen ansässige, dänische Saxofonistin Amalie Dahl ist seit einigen Jahren eine der zentralen Figuren der skandinavischen Jazz-Szene. Dabei repräsentiert kein anderes Projekt ihren Aufstieg so sehr wie Dafnie. Auf den beiden Alben des wagemutigen Quintetts bewegt dieses sich zwischen den beiden Polen der Kompositionen von Bandleaderin Dahl, die zugleich von energiegeladenem Freiheitsdrang und eleganter Durchdachtheit geprägt sind. Auf ihrem Album „Står op Med Solen“ aus dem Jahr 2024 hat Dahl jegliche Kluft zwischen roher Ausdruckskraft und ausgefeilter melodisch-harmonischer Performance erfolgreich überbrückt – ohne dabei künstlerische Kompromisse einzugehen. Dahl kann rasenden Free Jazz entfesseln, der durch explosives Überblasen, beeindruckende erweiterte Techniken und von einschneidender Vitalität getrieben wird. Und doch bewahrt sie sich stets eine fantasievolle lyrische Sensibilität. Diese Gegensätze stellen keine Widersprüche dar, sondern bringen lediglich ihre stilistische Bandbreite, ihre Aufmerksamkeit fürs Detail sowie ihre Neugierde zum Ausdruck.
Dahls Arrangements für das Kernquintett sind von einem orchestralen Verständnis geprägt, das hervorragend für diese vielseitige Besetzung geeignet ist. Mit dem Trompeter Oscar Andreas Haug, dem Posaunisten Jørgen Bjelkerud, dem Bassisten Nicolas Leirtrø und der Schlagzeugerin Veslemøy Narvesen hat sie im Laufe der Zeit eine so enge Beziehung aufgebaut, dass die Erweiterung von Dafnies Klangpalette mit einem größeren Ensemble als logische Konsequenz erscheint. Beim Jazzfest Berlin präsentiert Dahl nun ein brandneues Programm und verstärkt die Besetzung mit sieben zusätzlichen Musiker*innen, darunter eine vielseitige Rhythmusgruppe mit Bassist Ingebrigt Håker Flaten und dem Schlagzeuger Paal Nilssen-Love sowie der Pianistin Lisa Ullén.
20:00 – Moabit Imaginarium (DE, FR, SE, SN u.a.) – Uraufführung
Joel Grip – Kontrabass
Simon Sieger – diverse Instrumente
Michael Griener – Perkussion / Schlagzeug
Assane Seck – Tama, Djembe, Sabar
Berno Jannis Lilge – Trompete, Flöten, Bouzouki, Dudelsack
Hyunjeong Park – Gayageum
Elsa M’bala – Loops, Kasette
Hakam Wahbi – Riqq
Moabit Imaginarium ist ein musikalisches Begegnungsprojekt, das zwischen unterschiedlichen Musiker*innen und ihren jeweiligen künstlerischen Szenen Brücken schlagen soll. Dazu werden professionelle Musiker*innen aus Berlin-Moabit mit diversen musikalischen Hintergründen eingeladen, um gemeinsam mit Vertreter*innen der Berliner Jazzszene zu experimentieren und ein transkulturelles Repertoire zu entwickeln. Das sich neu formierende Ensemble bietet insgesamt zehn Künstler*innen Zeit und Raum für Austausch, (Neu-)Entdeckungen und künstlerische Forschung.
Pat Thomas (GB) – Klavier
Pat Thomas ist seit Jahrzehnten eine ebenso dynamische wie unverzichtbare Figur in der britischen Szene für improvisierte Musik und unterhält enge Beziehungen zu Altmeistern wie Lol Coxhill und Derek Bailey. Doch hat sich der Pianist erst als Mitglied von أحمد [Ahmed], dem gefeierten Improvisationsquartett, das sich der Musik des Bassisten und Komponisten Ahmed Abdul-Malik widmet, weltweit einen Namen gemacht. Die Gruppe spielte 2021 ein überwältigendes Set beim Jazzfest Berlin und ihr Album „Giant Beauty“ wurde von The Wire zum besten des Jahres 2024 gewählt. Auch Thomas’ Soloauftritte gehören zu den international aufregendsten und überraschendsten Hörerlebnissen. Als Solist entfesselt er die perkussiven Qualitäten des Klaviers, ob er nun darauf afro-kubanische Grooves einhämmert, dichte Cluster heraufbeschwört oder einen Kontrapunkt à la Bach setzt.
Seine Darbietungen können in jede mögliche Richtung führen. Einem unerbittlichen Ansturm auf die weißen Tasten seines Instruments kann jederzeit eine Interpretation von Duke Ellingtons „Satin Doll“ folgen. Letztes Jahr vertiefte Thomas seine Auseinandersetzung mit der arabischen Geschichte auf dem Soloalbum „The Solar Model of Ibn Al-Shatir“, dessen Stücke als Hommage an die Entdeckungen von Persönlichkeiten wie dem titelgebenden Mathematiker aus dem 14. Jahrhundert konzipiert wurden. Es ist unmöglich, vorherzusagen, was Thomas an diesem Abend beim Jazzfest Berlin am Klavier entfesseln wird. Sicher ist allerdings jetzt schon eins: Es wird großartig.
21:30 – Fire! Orchestra „Words“ (BE, BR, CA, DE, DK, FR, GB, NO, SE) – Uraufführung
Das schwedische Trio Fire! ist eines der bekanntesten Projekte des Saxofonisten Mats Gustafsson. Seine reduzierte Besetzung setzt für maximale Effekte auf hypnotische Grooves und entfesselte Blasinstrumente. Der Bandleader lieh sich den Namen, als er 2013 die in diesem Jahr beim Jazzfest Berlin vertretene Big Band namens Fire! Orchestra gründete. Obwohl in deren Arbeit einige derselben Prinzipien zum Tragen kommen – insbesondere die packenden Bassläufe von Johan Berthling, einem Mitglied beider Gruppen –, unterscheiden sich die von Popmusik geprägten Melodien und die Zeitlupen-Grandezza der üppigen Arrangements des Fire! Orchestra doch grundlegend. Gustafsson ist zwar für seine eindringliche Arbeit mit dem Saxofon bekannt, bewegt sich dabei jedoch durch viele Musikstile. Im Jahr 2023 veröffentlichte das Fire! Orchestra die überlange Suite „Echoes“. Eingespielt wurde sie von einem 40-köpfigen Ensemble, das brodelnde Popsongs voller Momente musikalischer Freiförmigkeit mit Tiefe, Anmut und wilden Dynamiken auflud – unter anderen gesungen von Mariam Wallentin und David Sandström, dem ehemaligen Drummer der Hardcore-Band Refused.
An diesem Abend präsentiert Gustafsson eine völlig neue Besetzung des Fire! Orchestra mit der Weltpremiere des Programms „Words“. Der Bandleader war schon immer auf den Austausch bedacht und hat spannende Musiker*innen in die Welt der improvisierten Musik eingeführt. Die neue Besetzung des Fire! Orchestra baut genau darauf auf: Die in Köln lebende Cellistin Emily Wittbrodt, die in Berlin und Toronto ansässige Trompeterin Lina Allemano und die britische Turntablistin Mariam Rezaei gehören zu den neuen Mitgliedern des Ensembles. Ebenfalls mit dabei sind Veteran*innen wie der Posaunist Mats Äleklint und die Saxofonistinnen Anna Högberg und Mette Rasmussen.
Angelica Sanchez – Klavier
Barry Guy – Kontrabass
Ramón López – Schlagzeug
Die vielseitige US-amerikanische Pianistin Angelica Sanchez, die britische Basslegende Barry Guy und der versierte spanische Schlagzeuger Ramón López tun sich erneut zusammen und lassen die fulminante Energie wiederaufleben, die schon die Aufnahme ihres ersten Aufeinandertreffens beim Jazzdor in Straßburg im Jahr 2023 zu einem besonderen Erlebnis machte.
Den britischen Bassisten Barry Guy und den spanischen Schlagzeuger Ramón López verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, aber mit der US-amerikanischen Pianistin Angelica Sanchez haben die beiden Musiker bisher nur ein einziges Mal zusammengespielt – im Jahr 2023 auf der Bühne des Festivals Jazzdor in Straßburg. Wie der Bassist in den Liner Notes des dabei entstandenen und im Folgejahr veröffentlichten Albums anmerkt: „Wir hätten länger spielen können, aber die Zeitbeschränkungen des Festivals ließen uns für die Zukunft nur eine Option: Wir müssen wieder zusammen spielen!“ Das Jazzfest Berlin freut sich sehr, dies ermöglichen zu können.
Die erste Performance des Trios war geprägt von der Spannung und Begeisterung dreier erfahrener Musiker*innen, die in Echtzeit zueinander fanden, auf unerwartete Entwicklungen reagierten und aus dem Jetzt heraus dynamische Klang- und Rhythmuskonstellationen erschufen. Bei der Aufführung mischten sich freie Improvisationen mit Kompositionen des Bassisten und der Pianistin. Genaues Zuhören und die Fähigkeit, gemeinsam architektonische Formen zu entwerfen, trieben die Intensität des Sets auf die Spitze – ob das Trio nun einer Partitur folgte oder nicht. Beim diesjährigen Jazzfest Berlin wird Sanchez darüber hinaus am Festival-Samstag bei der Uraufführung von Guys „Double Trouble III“ zu erleben sein. Sie ist als Musikerin von unbändiger Ausdruckskraft bekannt, die lyrischen Einfallsreichtum mit treibendem Swing, kaleidoskopischen Harmonien und gefühlvoller Eleganz verbindet.
James Brandon Lewis – Tenorsaxofon
Aruán Ortiz – Klavier
Brad Jones – Kontrabass
Chad Taylor – Schlagzeug
Von den verschiedenen Bands des Saxofonisten James Brandon Lewis spiegelt keine seine tiefe Liebe und seinen Respekt für die Jazztradition mehr wider als dieses Quartett mit dem Pianisten Aruán Ortiz, dem Bassisten Brad Jones und dem Schlagzeuger Chad Taylor. Ihr neues Album zollt den Meistern der spirituellen Tenorsaxofon-Tradition Tribut.
Der Aufstieg des New Yorker Tenorsaxofonisten und Komponisten James Brandon Lewis ist seit seinem Auftritt beim Jazzfest Berlin 2019 ungebremst. Als Koryphäe der improvisierten Musik führt er weiterhin verschiedene Bands mit unterschiedlichen Ansätzen an. Dafür wurden ihm breite Anerkennung und Popularität zuteil, ohne dass er jemals seine künstlerische Vision hätte preisgeben müssen. Seinen tiefen Respekt für und seine Kenntnis der Jazzgeschichte wird von keinem anderen seiner Ensembles deutlicher widergespiegelt als von seinem dynamischen Quartett mit dem kubanischen Pianisten Aruán Ortiz, dem Bassisten Brad Jones und dem Schlagzeuger Chad Taylor. Anfang dieses Jahres veröffentlichte die Gruppe ihr fünftes Album „Abstraction Is Deliverance“. Diese wunderschön zurückhaltende Platte bringt die Bewunderung des Bandleaders für die beseelte Ästhetik von großen Tenorsaxofonisten wie John Coltrane, David Murray und David S. Ware zum Ausdruck. Letzterem wird sogar gleich zu Beginn des Albums mit dem geschmeidigen Mid-Tempo-Stück „Ware“ die Ehre erwiesen.
Bei einem Stück wie dem Noir-artigen „Mr. Crick“ jedoch werden die üppigen, romantischen Kadenzen der schönen Melodie gekonnt durch Ortiz’ ambivalente Akkorde kontrastiert, was eine hinreißende Spannung erzeugt. Die Band setzt während ihrer steten Annäherung an die spirituelle Auflösung des Ganzen auf die Ausdrucksstärke der Spontaneität, indem sie sich in einem Moment auf komponiertes Material zubewegt und im nächsten wieder von ihm entfernt. So schafft sie eine meditative Stimmung, in deren Rahmen der Albumtitel zum Glaubensbekenntnis wird. Doch wie meditativ dieses Album auch sein mag, so zeichnet sich das Quartett ebenso durch Schlagkraft und Dringlichkeit aus und bietet selbst die Abstraktion noch in ihrer explosivsten Form an.
im Anschluß Afterparty mit Hermes Villena und Matti Nives
Zum Ausklang des Jazzfest Berlin 2025 lassen Hermes Villena und Matti Nives die Turntables kreisen. Die beiden DJs sind Freunde und Musikliebhaber, die die Leidenschaft für das Auflegen verbindet. Villena ist Kurator im Kölner Jazzclub King Georg, Moderator einer Radioshow bei Dublab und Gründer von Powerhouse Records. Nives ist Gründer und künstlerischer Leiter des in Helsinki ansässigen Labels, Festivals und Magazins We Jazz und moderiert eine Radioshow bei Radio Helsinki. Zum Jazzfest Berlin kommen die beiden mit einem umfangreichen Schatz an Schallplatten, der von verschiedenen Jazzstilen über lateinamerikanischem Sound bis hin zu Soul, Funk und regionaler Musik aus unterschiedlichsten Teilen der Welt reicht – der rote Faden, der sich durch ihre Auswahl zieht, ist die organische Natur der Musik.
Von Montag bis Freitag lädt das Jazzfest Berlin junge Musiker*innen ein, das Festival aktiv mitzugestalten. Studierende des Jazz Institut Berlin bespielen die Moabiter Nachbarschaft mit kostenlosen Lunch-Konzerten und Kiez-Sessions, wobei letztere für alle musikalisch Interessierten zur Teilnahme geöffnet sind.
Yuma Shigesada – Violoncello
Johann Greve – Kontrabass
Sebastian Pfeifer – Klavier
Heinrich Köbberling – Schlagzeug
Oùat feat. Assane Seck
Joel Grip – Kontrabass
Simon Sieger – verschiedene Instrumente
Michael Griener – Schlagzeug
Assane Seck – Tama, Djembe, Sabar
Mit seinem Community- und Outreach-Programm lädt das Jazzfest Berlin dazu ein, Jazz als lebendige Kunstform und offenes Experimentierfeld zu erleben. Gemeinsam mit lokalen Akteur*innen, Initiativen aus Moabit und Musiker*innen des Festivals entstehen in der diesjährigen Jazzfest Community Week Projekte, die kreative Teilhabe fördern und neue Räume für Begegnung schaffen.
Die Festivalwoche beginnt mit einem Eröffnungskonzert von Studierenden des Jazz Institut Berlin im PAS Berlin. Federführend beteiligt ist das Trio Oùat, bestehend aus Simon Sieger, Joel Grip und Michael Griener. Mit ihren Improvisationskünsten haben sie erst letztes Jahr das Publikum des Jazzfest Berlin begeistert und es mitgenommen auf eine musikalische Entdeckungsreise, die im Jazz wurzelt, aber eine Vielfalt von Stilen umfasst. Musikalischen Support erhalten sie vom senegalesischen Musiker und Griot Assane Seck. Im Anschluss findet die Kiez-Session #1 statt, die für alle musikalisch Interessierten zur aktiven Teilnahme geöffnet ist.
Termin
Mo 27.10.2025, 20:00 | Eintritt frei!
Ort
PAS Berlin
First Floor, Hinterhof Aufgang II Kaiserin-Augusta-Allee 101
D-10553 Berlin
Von Montag bis Freitag lädt das Jazzfest Berlin junge Musiker*innen ein, das Festival aktiv mitzugestalten. Studierende des Jazz Institut Berlin bespielen die Moabiter Nachbarschaft mit kostenlosen Lunch-Konzerten und Kiez-Sessions, wobei letztere für alle musikalisch Interessierten geöffnet sind.
Dienstag, 28. Oktober – Kiez-Session #2 – KUKUMU-Café
Rafael Maleh – Kontrabass
Lotta Leitz – Gesang
Pippilotta van Eeden E-Gitarre
Mittwoch, 29. Oktober – Kiez-Session #3: Carla Jam – Jazz-Institut Berlin, Café Carla
Rafael Maleh – Kontrabass
Lotta Leitz – Gesang
Pippilotta van Eeden E-Gitarre
Freitag, 31. Oktober – Kiez-Session #5 – Kallasch&
Christopher Williams – Kontrabass
Valeryia Delé – Gesang
Frederik Tenbieg – E-Gitarre
Termine
Di 28.10.2025, 19:00 | Eintritt frei! Berlin
Mi 29.10.2025, 20:00 | Eintritt frei! Berlin
Do 30.10.2025, 19:00 | Eintritt frei! Berlinund weitere Termine
Fr 31.10.2025, 19:00 | Eintritt frei! Berlin
Berliner Festspiele
Schaperstraße 24
D-10719 Berlin
KUKUMU
Lübecker Straße 43
D-10559 Berlin
Jazz-Institut
Einsteinufer 43-53
D-10587 Berlin
Kulturfabrik Moabit
Lehrter Straße 35
D-10557 Berlin
Kallasch&
Unionstraße 2
D-10551 Berlin
Mit Musiker*innen aus dem Programm des Jazzfest Berlin 2025.
Wie bereits im vergangenen Jahr soll mit den Jam-Sessions im Quasimodo an eine alte Tradition des Jazzfest Berlin angeknüpft werden. Musiker*innen aus dem Festivalprogramm werden dazu eingeladen, bis tief in die Nacht in völlig neuen Konstellationen zusammenzukommen und in lockerer Atmosphäre gemeinsam zu improvisieren.
Gemeinsam mit lokalen Akteur*innen, Initiativen aus Moabit und Musiker*innen des Festivals entstehen in der diesjährigen Jazzfest Community Week Projekte, die kreative Teilhabe fördern und neue Räume für Begegnung schaffen. Ihr Abschluss wird mit einem fulminanten Closing-Event im Jazzinstitut Berlin gefeiert.
Den Auftakt des Abends bildet eine Solo-Performance der japanischen Pianistin Aki Takase, die zu den umtriebigsten Komponist*innen und Improvisationskünstler*innen der Berliner Szene gehört. Im Anschluss präsentiert sie zusammen mit einem kleinen Streicher-Ensemble die Uraufführung des „Timeless Small Project“, dem Vorgänger des „Timeless Orchestra Project“, das 2027 starten soll, junge Musiker*innen zusammenbringt und von Takase gemeinsam mit Daniel Erdmann geleitet wird. Ein Fokus dieser musikalischen Erkundung liegt darauf, jenseits linearer Zeitkonzeptionen den gegenwärtigen Moment zu gestalten, indem Gelungenes aus der Vergangenheit aufgegriffen und mit innovativen Ideen für die Zukunft zusammengebracht wird.
Das Moabit Imaginarium – ein musikalisches Begegnungsprojekt, das sich im Rahmen der Jazzfest Community Week entwickelt und zwischen unterschiedlichen Musiker*innen und ihren jeweiligen künstlerischen Szenen Brücken schlägt – beschließt mit der Uraufführung seines neu erarbeiteten transkulturellen Repertoires den Abend. Für das sich neu formierende Ensemble werden professionelle Musiker*innen aus Berlin-Moabit mit diversen musikalischen Hintergründen eingeladen, um gemeinsam mit Vertreter*innen der Berliner Jazzszene zu experimentieren.
Termin
Fr 31.10.2025, 20:00 | Eintritt frei!
Ort
Jazz-Institut
Georg-Neumann-Saal Einsteinufer 43-53
D-10587 Berlin
Bewertungen & Berichte Closing: Jazzfest Community Week
JazzFest Berlin
Berliner Festspiele
30.10. bis 2.11.2025
In der 62. Festivaledition des Jazzfest Berlin, die vom 30. Oktober bis 2. November stattfindet, werden über 120 internationale Musiker*innen aus mehr als 20 Ländern in 25 Acts im Haus der Berliner Festspiele sowie in den nahe gelegenen Spielstätten A-Trane, Quasimodo und Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufeinandertreffen.
Ticketvorverkauf ab 18. September, 14:00 Uhr
Kontakt
Berliner Festspiele
Schaperstraße 24
D-10719 Berlin