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Trailer Salzburger Festspiele 2022
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Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele Sommer 2024
19. Juli - 31. August 2024


OPER

Kontakt

Salzburger Festspiele
Herbert von Karajan Platz 11
A-5010 Salzburg

Telefon: +43 (0)662-8045-500
Fax: +43 (0)662-8045-555
E-Mail: info@salzburgfestival.at

Bewertungschronik

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Bewertungen & Berichte Salzburger Festspiele

Christian Thielemann, © SF/Marco Borrelli
Konzertante Aufführung

Capriccio

Richard Strauss (1864 - 1949)

Ein Konversationsstück für Musik in einem Aufzug (1940—1941, uraufgeführt 1942)
Libretto von Clemens Krauss und Richard Strauss
Konzertante Aufführung

Richard Strauss’ letztes Bühnenwerk Capriccio, das auf eine Idee von Stefan Zweig zurückgeht, kreist um ein Problem so alt wie die Gattung Oper selbst: das Verhältnis von Wort und Ton. Die Handlung verquickt eine ästhetische Debatte mit der Rivalität des Dichters Olivier und des Musikers Flamand, die im Paris des Jahres 1775 um die Gräfin Madeleine werben. Strauss betrachtete das höchst un­gewöhnliche Werk als sein „Testament“. Als Clemens Krauss, der Mitautor des Librettos, ihn auf eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit ansprach, verwies Strauss ihn auf den berühmten, von der weh­mütig schönen „Mondscheinmusik“ eingeleiteten Schlussmonolog der Gräfin: „Ist nicht dieses Des-Dur der beste Abschluss meines theatralischen Lebens-Werkes?“

Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Wiener Philharmoniker
Besetzung: Elsa Dreisig, Bo Skovhus, Sebastian Kohlhepp, Konstantin Krimmel, Mika Kares, Ève-Maud Hubeaux, Jörg Schneider, Regula Mühlemann, Josh Lovell, Torben Jürgens, und andere

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Bewertungen & Berichte Capriccio

Federica Lombardi, © Charl Marais
Oper

Don Giovanni

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni
Dramma giocoso in zwei Akten KV 527 (1787)
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Neueinstudierung

„Wer ich bin, wirst du nie erfahren.“

Sich Don Giovanni anzunähern, bedeutet für Romeo Castellucci, sich der Mehrdeutigkeit und Komplexität sowie dem inneren Ungleichgewicht zu stellen, die Mozart dem Protagonisten seiner Oper verleiht. Vitalität und Zerstörung: In dieser Ambivalenz sieht Castellucci eine Faszination der Figur. Don Giovanni denkt nicht, sondern handelt in großer Eile, ohne Atem zu holen. Er stürmt dahin und bringt Zerstörung, während er den Menschen, die auf ihn Jagd machen, beständig entgeht. In seinem pausenlosen Lauf schafft er jedoch gleichzeitig auch Raum, bringt Zeit hervor und erzeugt Leben. Man könnte sagen, dass sein Todesschicksal das Ergebnis eines Übermaßes an Leben ist.

Der alte Mythos von Don Juan, in den Legenden ebenso eingingen wie fromme Lehrfabeln, erfuhr seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine Unzahl von Neuinterpretationen. Da Ponte und Mozart entwickelten ihn differenziert weiter und schufen ein Werk, in dem Tragödie und Komödie Seite an Seite existieren. Im Gewebe der Musik ist vom ersten Takt an ein Todestrieb spürbar, der auf die finale Katastrophe hindeutet. Und wenn das Stück spielerisch – „giocoso“ – wird, haben wir es mit einem sehr ernsten Spiel zu tun. Mozarts Musik birgt auch dort, wo ihr Atem leicht ist, Kavernen, die sich auftun, um die tiefsten Sehnsüchte des Menschen zu enthüllen.

Don Giovanni kennt weder Reue noch Schuldgefühle: Um seine Wünsche zu befriedigen, greift er das Gesetz an, diskreditiert es und hebt es auf. Es ist kein Zufall, dass seine erste Tat in der Oper die Tötung eines Vaters – des Vaters – ist. Der Komtur verkörpert das Gesetz des Vaters, und wie alle ermordeten Väter in den Dramen der westlichen Literatur kehrt er als Geist zurück – er ist überall spürbar.

In Castelluccis Inszenierung wird ein demontierter und entleerter – ein entweihter – Kirchenraum zum Hauptquartier Don Giovannis. Eine neutrale Architektur wird von Mal zu Mal mit Bedeutung aufgeladen, durch eine präzise Dramaturgie aus angemessenen und unangemessenen Objekten, die herabfallen, die auftauchen und sich auflösen, die einen Gleichgewichtspunkt suchen. Es ist, als würden wir dem Spiel eines Kindes beiwohnen, das bestrebt ist, sein Spielzeug zu zerstören. In diesem Sinn ist Don Giovanni eine pantoklastische – „allzerstörerische“ – Figur, eben ein Kind, das seiner Frustration darüber Luft macht, dass es das begehrte Objekt nicht erlangen kann.

Die drei Frauen der Oper stehen für drei verschiedene Gefühlsuniversen. Donna Anna ist von edler Herkunft und verkörpert das schwer zu erreichende höchste Objekt des Begehrens. Ihre Sprache und ihr Schmerz werden in ihrer Gestik greifbar – der Gestik einer tragischen Heldin. Donna Elvira ist eine Figur, deren Stimme Verwirrung und Aufgewühltheit verrät. Sie repräsentiert die Familie, das Gefüge der Gesellschaft. Don Giovanni empfindet Schauder, als er ihr zum zweiten Mal begegnet. Der Gedanke, er könnte herausfinden, dass er Vater ist, jagt ihm Schrecken ein. Die Liebe ist in seinem Fall etwas, das zerteilt, spaltet, abschneidet, tötet – nicht hervorbringt. Und dann haben wir die Bäuerin Zerlina, den Körper als Objekt des Begehrens par excellence, ein Gegenstand, der für Don Giovanni nur da ist, um besessen zu werden. Er geht davon aus, dass sie ihm mit Fug und Recht zusteht, sogar an ihrem Hochzeitstag.

Don Giovanni ist unfähig, die Frauen in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit wahrzunehmen, weil ihn sein Narzissmus blind macht. Für den zweiten Akt hat Castellucci eine große Anzahl von Frauen, die in Salzburg leben, eingeladen, die Bühne des Großen Festspielhauses zu besetzen. Die Frauen kommen, um sich den eigenen Körper, eine Präsenz, eine Biografie zurückzuholen. Die entsetzliche Liste von Leporellos Register verwandelt sich in ein Element aus Fleisch und Blut, das berührt und bewegt. Die Choreografin Cindy Van Acker hat mit den Frauen Bewegungsbahnen durch den Raum, Dynamiken der Interaktion, Formen von Gegenseitigkeit und Verbundenheit konzipiert. Die Anwesenheit der Frauen macht sichtbar, wie das Feld des Begehrens allmählich eine absorbierende, einverleibende Kraft entwickelt. Das polare Schema von Don Giovanni als Jäger und den Frauen als Gejagten wird umgekehrt.
(Nach einem Gespräch zwischen Romeo Castellucci und Piersandra Di Matteo
Übersetzung aus dem Italienischen: Christian Arseni)

Musikalische Leitung: Teodor Currentzis
Utopia Choir, Vitaly Polonsky, Utopia Orchestra
Besetzung: Davide Luciano, Dmitry Ulyanov, Nadezhda Pavlova, Julian Prégardien, Federica Lombardi, Kyle Ketelsen, Ruben Drole, Anna El-Khashem

Regie, Bühne, Kostüme und Licht: Romeo Castellucci

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Cecilia Bartoli, © Kristian Schuller Decca
Oper

La clemenza di Tito

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

Opera seria in zwei Akten KV 621 (1791)
Libretto von Caterino Tommaso Mazzolà
nach dem Dramma per musica von Pietro Metastasio

„Nehmt mir die Herrschaft oder gebt mir ein anderes Herz!“

Vitellia hat sich vergeblich Hoffnungen gemacht, durch eine Vermählung mit Kaiser Tito, dessen Vater einst dem ihren die Herrschaft geraubt hat, auf den römischen Thron zurückzukehren. Nun sinnt sie auf Rache und drängt Sesto, ein Komplott gegen Tito anzuführen. Sesto ist in Vitellia verliebt und hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen für sie und der Freundschaft zu Tito. Innerlich aufgewühlt, ist Sesto schließlich bereit, der Liebe den Vorzug zu geben und die Freundschaft zu verraten. Tito überlebt jedoch den Anschlag. Der Senat verhängt über Sesto ein Todesurteil, das noch der Bestätigung durch den Kaiser bedarf. Titos humanitäre Grundsätze werden auf eine harte Probe gestellt: „Alle Mächte haben sich verschworen, mich gegen meinen Willen zur Grausamkeit zu zwingen.“ Obwohl ihm die Schwere der von Sesto begangenen Verbrechen bewusst ist sieht sich Tito vor die Wahl gestellt, Gerechtigkeit oder Milde — „clemenza“ — walten zu lassen …

Im Juli 1791 wurde Domenico Guardasoni, der Impresario des Prager Ständetheaters, mit der Aufgabe betraut, eine Festoper anlässlich der Krönung Leopolds II. zum König von Böhmen zu organisieren. Ein „berühmter Komponist“ sollte dafür verpflichtet werden, und so fiel Guardasonis erste Wahl auf den Wiener Hofkapellmeister Antonio Salieri. Erst nachdem Salieri das Angebot ausgeschlagen hatte, ging der Auftrag an Wolfgang Amadeus Mozart. Da die Zeit bis zum Krönungstag Anfang September knapp bemessen war, griff man auf ein bereits bestehendes Libretto zurück: Pietro Metastasios La clemenza di Tito zählte zu den populärsten Operntexten des 18. Jahrhunderts und war seit 1734 bereits über 50 Mal als Opera seria vertont worden. Für die Krönungsfeierlichkeiten bot sich das Werk umso mehr an, als es als höfische Fest- und Huldigungsoper par excellence galt. Auf Grundlage der anekdotenhaften Darstellungen der römischen Geschichtsschreiber Sueton und Aurelius Victor hatte Metastasio mit seinem Tito eine tugendhaft-wohltätige Figur geschaffen, die das Ideal einer aufgeklärten Herrscherpersönlichkeit verkörperte. Die Tugenden der antiken „clementia romana“ ließen sich unmittelbar auf die von den Habsburgern propagierte „clementia austriaca“ übertragen, und gleichzeitig konnten Fürsten wie Leopold II. — der Folter und Todesstrafe abgeschafft hatte — mit dem pseudohistorischen Vorbild assoziiert werden.

Die strenge Dramaturgie der von Metastasio geprägten Opera seria, die eine schematische Abfolge von Rezitativen und Arien vorsah, war 1791, Mozarts letztem Lebensjahr, schon längst überholt. Der Librettist Caterino Mazzolà, der eigentlich auf komische Opern spezialisiert war, reduzierte Metastasios
Vorlage von drei auf zwei Akte, formte aus einzelnen Dialogen Ensembleszenen und erweiterte die Rolle des Chores, was vor allem dem Finale des ersten Akts, in dem der Anschlag verübt und das Kapitol in Brand gesetzt wird, zu großer dramatischer Wirkung verhalf.

In seinem Werkverzeichnis vermerkte Mozart, Mazzolà habe aus der Vorlage eine „vera opera“, eine wahre — gar wahrhaftige? — Oper gemacht. Und tatsächlich verleihen die Dynamisierung der Handlung und Mozarts musikalische Charakterzeichnung den einzelnen Figuren, ihren Motiven und Intentionen enorme Plastizität und Glaubwürdigkeit. Im Zentrum der Oper — es war Mozarts letzte — stehen zeitlose Fragen, die um den richtigen Umgang mit Macht vor dem Hintergrund von Intrige, Gewalt und Terror kreisen: Kann Menschlichkeit über Unmenschlichkeit regieren? Lässt sich jede Schuld verzeihen? Lassen sich Staatsräson und Humanität vereinbaren? Kann es eine Gerechtigkeit geben, wenn private und politische Interessen miteinander in Konflikt geraten? Das Ethos von Mozarts Tito verdichtet sich in der Erkenntnis, dass die „Treue der Untertanen“ gegenüber ihren politischen Führern nicht „Frucht der Angst“ sein dürfe, sondern auf Liebe gründen müsse.

(David Treffinger)

Musikalische Leitung: Gianluca Capuano
Il Canto di Orfeo, Les Musiciens du Prince — Monaco
Besetzung: Daniel Behle, Alexandra Marcellier, Mélissa Petit, Cecilia Bartoli, Ildebrando D'Arcangelo

Regie und Licht: Robert Carsen

In italienischer Sprache
mit deutschen und englischen Übertiteln

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Mirga Gražinytė-Tyla, © Frans Jansen
Oper

Der Idiot

Mieczysław Weinberg (1919 - 1996)

Oper in vier Akten op. 144 (1986/87, uraufgeführt 2013)
Libretto von Alexander Medwedew nach dem Roman von Fjodor Dostojewski

„Die Welt wird durch Schönheit gerettet werden.“

Welches Geheimnis trägt dieser Mensch in sich? Welches verborgene Wissen um die Welt gibt ihm Zutritt zur Wahrheit derer, denen er begegnet? Was jeder von uns an Heimlichkeit hütet, was keiner von uns nach außen dringen lassen will – dieser Mensch, dieser Fürst, der „Idiot“, findet es heraus. Seine Aura ist ebenso anziehend wie beängstigend. Man sucht seinen Blick und fürchtet seine Anwesenheit. Man erholt sich nie davon, ihm begegnet zu sein. Der „Idiot“ besitzt eine destabilisierende Kraft, die die Gesellschaft in ihrer Brutalität und Vulgarität, in ihrer Kompromissbereitschaft und mit ihren dunklen Trieben nicht dulden kann. Der „Idiot“ stellt die Umkehrung der allgemeinen Werte dar. Ein Wert hingegen beherrscht ihn vor allen anderen: Mitleid. Und wer uns gegenüber Mitleid zeigt, vor dem schwindet jeder Widerstand. Mitleid bringt die nackte Seele zum Vorschein. Es entwaffnet.

Wir leben in einer Welt, in der Wladimir Putin seit dem 24. Februar 2022 versucht, das Volk und die Kultur der Ukraine zu vernichten; in einer Welt, in der seit dem 7. Oktober 2023 die grauenhafte Gewalt der Islamisten und die darauffolgende Vergeltung des Staates Israel Leid verursachen, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr kennen. Hass greift um sich, Menschlichkeit wird mit Füßen getreten. Die Stimme des Mitleids wird vom Kriegslärm erstickt. Wenn nun eine Person (ob real oder, wie hier, fiktiv) angesichts der menschlichen Abgründe durch ihre Worte oder Haltung, durch ihre Wahrhaftigkeit, die jegliche Lüge und Berechnung ausschließt, Herzensgüte und Mitleid gebietet, fürchten wir uns vor der Unerhörtheit einer grenzenlosen Liebe. Fürst Myschkin ist der Name dieser skandalösen lichtdurchfluteten Zärtlichkeit. Einer Zärtlichkeit, die über jedes moralische Urteil erhaben ist. Bedingungslose Liebe gleicht einem Taumel, auf den wir niemals vorbereitet sind.

Aus Dostojewskis Roman Der Idiot (1869) hat der polnisch-sowjetische Komponist Mieczysław Weinberg Mitte der 1980er-Jahre seine siebte und letzte Oper geschaffen – neben Die Passagierin sein zweites Hauptwerk für die Bühne. Weinbergs Idiot wurde lange verkannt, doch seine Bedeutung innerhalb der Operngeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist mittlerweile unbestritten. Dem Dirigenten Thomas Sanderling, einem engen Freund des Komponisten, verdanken wir die erste vollständige Aufführung der Oper im Jahr 2013 – 17 Jahre nach Weinbergs Tod – in Mannheim. Wie auch der Geiger Gidon Kremer hat sich Sanderling in den letzten Jahren unablässig bemüht, dem Publikum Werke von Weinberg zu Gehör zu bringen, deren Schönheit man erst heute gänzlich erfasst.

Eine beachtliche Rolle in Weinbergs Leben spielte Dmitri Schostakowitsch: Er unterstützte den jungen jüdischen Komponisten aus Polen, der vor der deutschen Armee aus Warschau nach Minsk und danach Taschkent geflüchtet war und 1943 schließlich nach Moskau gelangte. Bis zu seinem Tod setzte er sich gegenüber den sowjetischen Machthabern, die versuchten, die Bedeutung der Musik Weinbergs herunterzuspielen, für dessen Werke ein. Weinberg widmete seine Oper Der Idiot bezeichnenderweise Schostakowitschs Andenken.

Die Salzburger Neuproduktion wird von Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert, die sich ebenfalls seit Jahren für diesen außerordentlichen Komponisten begeistert. Nach Henzes The Bassarids, Strauss’ Elektra und Verdis Macbeth präsentiert der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski mit seiner Interpretation von Der Idiot seine vierte Festspielinszenierung.

Wie für jeden polnischen Künstler und Intellektuellen ist Dostojewskis Œuvre auch für ihn ambivalent. Warlikowski ermisst dessen außergewöhnliche Tiefe, ohne die Haltung des Schriftstellers in jenen Jahren zu vergessen, als er den Roman schrieb und Polen von den Russen besetzt war: den unbedingten Glauben an die Größe des russischen Volkes und die Gewissheit, dass nur das russische Zarenreich Europa vor dem Verfall bewahren könne. Dostojewskis Vorstellung von Russland findet in unserer Zeit ein befremdliches Echo. Warlikowski wird sich dem Werk jedoch vielmehr über die persönliche Sichtweise Weinbergs annähern und den Reichtum, die Spannung und die Charaktere dieser brillant gebauten Oper ausloten: den dunklen und gewalttätigen Rogoschin, die leidenschaftliche und unglückliche Schönheit Nastassja Filippowna, die geopferte junge Liebende Aglaja und natürlich das unergründliche Geheimnis, das Fürst Myschkin ist.

(Christian Longchamp
Übersetzung aus dem Französischen: Fedora Wesseler)

Musikalische Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla
Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Jörn Hinnerk Andresen, Wiener Philharmoniker
Besetzung: Bogdan Volkov, Ausrine Stundyte, Vladislav Sulimsky, Iurii Samoilov, Clive Bayley, Margarita Nekrasova, Xenia Puskarz Thomas, Jessica Niles, Pavol Breslik, Alexander Kravets, und andere

Regie: Krzysztof Warlikowski

In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Timur Zangiev
Oper

Der Spieler

Sergej Prokofjew (1891 - 1953)

Oper in vier Akten op. 24 (1915—1917 / 1927—28, uraufgeführt 1929)
Libretto von Sergej Prokofjew nach dem Roman von Fjodor Dostojewski

Mit welcher Wonne würde ich ihm doch all dieses verfluchte Geld ins Gesicht werfen.“

Im Lauf seines Lebens experimentiert Sergej Prokofjew begeistert mit allen nur erdenklichen musikalischen Gattungen. In jeder von ihnen schreibt er Meisterwerke, die ihm eine gewisse Anerkennung einbringen. Im Bereich des Musiktheaters überwiegen hingegen Frust und ein Gefühl des Scheiterns: Seine Opernprojekte werden ständig verkannt, verhindert, verschoben oder abgesagt – sie liegen im Widerstreit mit ihrer Zeit.
Der Spieler ist die erste große Oper des Komponisten. Er nimmt sie 1914 in Angriff, indem er einen kurzen Roman von Dostojewski bearbeitet. Darin setzt der Schriftsteller sich mit seiner eigenen Spielsucht auseinander: Er schildert den rasenden Lauf in den Abgrund, die erbarmungslose Selbstzerstörung, und seziert damit unsere Gier nach schnellem Gewinn und raschem Erfolg. Die Handlung spielt im Casino einer fiktiven Stadt, Roulettenburg, wo sich verschiedene Personen begegnen und einander die Stirn bieten – allen voran ein General, der bei einem raffgierigen Marquis hoch verschuldet ist, seine Stieftochter, die gehässige Polina, und der in diese verliebte Alexej.
Mit Der Spieler wird zum ersten Mal ein Werk Dostojewskis für die Opernbühne adaptiert. Ohne einen Librettisten hinzuzuziehen, schöpft Prokofjew direkt aus dem Roman. Dieser bietet ihm den Ausgangspunkt für eine entschieden radikale Partitur, befreit von der Unterteilung in musikalische „Nummern“ und von Anfang bis Ende getragen von packender musikalischer Prosa. Im Orchester vermittelt ein unerbittliches Ostinato die fiebrigen Leidenschaften, die das Casino erfüllen. Prokofjew schlägt sein Projekt Sergej Djagilew vor, der jedoch ablehnt. Der Komponist gibt sich nicht geschlagen und bleibt hartnäckig. Die Uraufführung scheint 1917 konkrete Formen anzunehmen, als der Regiepionier Wsewolod Meyerhold plant, das Werk am Mariinski-Theater zu inszenieren. Meyerhold sieht im Spieler die Möglichkeit einer echten Avantgarde-Oper, die imstande ist, der Gattung vollkommen neue Dimensionen zu erschließen. Zwischen Komponist und Regisseur entspinnt sich ein intensiver schöpferischer Wettstreit, der ein außergewöhnliches Resultat verspricht. Doch den Vorbereitungen zur Uraufführung schlägt von verschiedenen Seiten Misstrauen entgegen. Die Sänger·innen lehnen die Partitur ab, die sie für unsingbar erachten. Die bürgerliche Intelligenzija misstraut einem Werk, das als „futuristisch“ eingestuft wird, während die Revolutionäre Dostojewski für dekadent erklären. Die Oktoberrevolution gibt dem Projekt den Gnadenstoß: Es wird aufgegeben.
Prokofjew bemüht sich weiter, den Spieler seinen Vorstellungen gemäß zur Uraufführung zu bringen. Zehn Jahre nach der geplatzten Premiere überarbeitet er die Partitur, indem er etwa die Gesangspartien abändert und die Instrumentierung verdichtet. So entstehen Passagen von soghafter Intensität, besonders der Höhepunkt des dritten Aktes, wenn sich die Stimmen aller Spieler mitsamt ihren Sehnsüchten in einem nie dagewesenen Wirbel vereinigen.
Im April 1929 erlebt Der Spieler in Brüssel schließlich seine Uraufführung – in französischer Sprache. In Russland stehen die Umstände dem Werk feindlich gegenüber, da es in keiner Weise dem Kanon des Sozialistischen Realismus entspricht. Meyerhold fällt den stalinistischen Säuberungen zum Opfer und wird 1940 hingerichtet. Die Oper der Avantgarde, die zwei visionäre Künstler erträumt haben, wird nicht realisiert. Die erste russische Produktion findet erst 1974 statt, beinahe 20 Jahre nach dem Tod des Komponisten.
Prokofjews Oper bietet heute eine verblüffende Relevanz und Aktualität. Unsicherheit und Angst sind in unserer Zeit allgegenwärtig. Mit jedem Morgen setzt man neu. Ganze Vermögen werden im Handumdrehen angehäuft oder verloren. Mehr als je zuvor sind das Casino und die Spannung, die es durchdringt, Metaphern unserer Welt, ihrer Raserei und ihrer Abgründe. Wetten wir, dass der Regisseur Peter Sellars, der für seine eindringlichen Interpretationen verkannter und vergessener Meisterwerke berühmt ist, uns dazu bringt, den gleichen Mut zu zeigen, wie Dostojewski und Prokofjew: den Mut, uns den eigenen Schattenseiten zu stellen; den Mut, unsere moralischen Widersprüchlichkeiten zu ergründen; den Mut, uns selbst ins Gesicht zu sehen.

(Antonio Cuenca Ruiz
Übersetzung aus dem Französischen: Fedora Wesseler)

Musikalische Leitung: Timur Zangiev
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker
Besetzung: Peixin Chen, Asmik Grigorian, Sean Panikkar, Violeta Urmana, Juan Francisco Gatell, Michael Arivony, Nicole Chirka, Ya-Chung Huang, Ilia Kazakov, und andere

Regie: Peter Sellars

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Marc Minkowski, © Franck Ferville / Agence VU
Oper

Les Contes d’Hoffmann

Jacques Offenbach (1819 - 1880)

Opéra fantastique in fünf Akten (1877—1880, uraufgeführt 1881)
Libretto von Jules Barbier nach dem Drame fantastique von Jules Barbier und Michel Carré

„Frage mich nichts, später wirst du alles erfahren.“

Hoffmann hat sie wieder gesehen, gerade eben: Stella, die von allen als Star gefeiert wird; Stella, die Geliebte, die ihn verlassen hat. Kaum verheilte Wunden brechen wieder auf, und selbst in Gesellschaft seiner Trinkkumpane vermag Hoffmann nicht, die Gefühle beiseitezuschieben, die Stellas Anblick in ihm ausgelöst hat. Und dann kreuzt auch noch Lindorf, dieser Unglücksbringer, seinen Weg … Doch die Krise setzt kreative Energie frei: Wie um sich und den anderen das Scheitern seiner Liebesbeziehung zu erklären, improvisiert Hoffmann drei Erzählungen, in denen er Stella in drei unterschiedliche Figuren aufspaltet. Denn in seiner (Ex-)Geliebten, so verkündet er seinen Zuhörern, wohnen „drei Seelen“: „Drei Frauen in derselben Frau!“

In den 1830er-Jahren entwickelte sich in Frankreich ein regelrechter Kult um E. T. A. Hoffmann, und auch das restliche Jahrhundert über blieb er dort einer der populärsten und einflussreichsten deutschen Dichter. Man bewunderte, wie in seinen Erzählungen und Romanen das „fantastique“ – das Übernatürliche – in die Wirklichkeit hereinbrach, wie die Grenzen zwischen Innen- und Außenleben verschwammen. Ebenso sehr aber faszinierte Hoffmann als Persönlichkeit. Er bildete den Inbegriff einer zerrissenen romantischen Künstlerexistenz, und schon seine frühen Biografen neigten dazu, seinem Leben legendäre Züge zu verleihen. Wenig verwunderlich also, dass sich in den Werken einiger junger französischer Autoren bald nicht nur Gestalten fanden, die von Hoffmanns Texten inspiriert waren, sondern auch Hoffmann selbst: Der reale Dichter wurde zur literarischen Figur.

Ein besonderer Fall ist Jules Barbiers und Michel Carrés Schauspiel Les Contes d’Hoffmann von 1851, das Barbier 1877 zum Opernlibretto für Jacques Offenbach umformte. Während in den drei Mittelakten, den „Erzählungen“, literarische Vorlagen Hoffmanns verarbeitet sind, begegnen wir in der „Wirklichkeit“ der beiden Rahmenakte Hoffmann als Menschen – und eben als Erzähler. Zusätzlich erscheint Hoffmann aber, in einer eigenwilligen Verschachtelung der Ebenen, als Protagonist in seinen eigenen Erzählungen, die alle unglückliche Liebesgeschichten sind. Dabei bleibt er stets er selbst, und das Gleiche ließe sich für seinen treuen Begleiter Nicklausse behaupten, würde dieser (oder diese?) sich uns zu Beginn nicht als „die Muse“ vorstellen. Für Stella und die Figuren, in die Hoffmann sie auffächert, sah Offenbach eine einzige Sopranistin vor; auch Hoffmanns machtvoller Gegenspieler Lindorf und dessen erzählerische Reinkarnationen – mal skurril, mal unheimlich oder dämonisch – sind als Vierfach-Rolle konzipiert. Die Welten der Realität und der Fantasie, Hoffmanns persönliche Lebenssituation und seine künstlerischen Hervorbringungen sind in Les Contes d’Hoffmann also aufs Engste miteinander verwoben.

Die französische Regisseurin Mariame Clément wird dem Verhältnis von Kunst und echtem Leben nachspüren, indem sie in ihrer Inszenierung die drei „Erzählungen“ mit einzelnen Stationen von Hoffmanns Biografie als Künstler verknüpft. Das hat entscheidende Konsequenzen für die Frauenfiguren oder besser gesagt für die Sichtweise der Bilder, die Hoffmann auf Stella projiziert: die engelhafte, aber gefühlskalte Olympia, die sich als Puppe herausstellt; Antonia, die nicht bereit ist, ihrer künstlerischen Berufung abzuschwören, und sich zu Tode singt; die Kurtisane Giulietta, die als Femme fatale Gefühle nur vortäuscht, um Hoffmann die Seele abzulisten. Für Mariame Clément ist es wesentlich, diesen Figuren eigenständiges Leben zu geben, eine reale Identität und damit das Potenzial, die ihnen auferlegten Weiblichkeitsbilder zu problematisieren.

Offenbach sah in Les Contes d’Hoffmann, entstanden für die Pariser Opéra-Comique, die letzte Chance, all jene eines Besseren zu belehren, die ihn zu einem bloßen Operettenkomponisten abstempelten. In Wirklichkeit hatte er Bühnenwerke in fast jedem Genre geschrieben, und ein Faszinosum seiner finalen „opéra fantastique“, die er bis zu seinem Tod im Oktober 1880 nicht ganz vollenden konnte, ist gerade ihre stilistische Vielfalt, ja Heterogenität: In Salzburg wird Marc Minkowski die Partitur – ihren pointierten Witz und romantischen Überschwang, ihre rührende Empfindsamkeit und tragische Intensität – zu schillerndem Leben erwecken.

(Christian Arseni)

Musikalische Leitung: Marc Minkowski
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker
Besetzung Benjamin Bernheim, Kathryn Lewek, Christian van Horn, Kate Lindsey, Marc Mauillon, Géraldine Chauvet, Michael Laurenz, Jérôme Varnier, Philippe-Nicolas Martin, Paco Garcia, und andere

Regie: Mariame Clément

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Stephane Degout, © Jean-Baptiste Millot
Oper

Hamlet

Ambroise Thomas (1811 - 1896)

Oper in fünf Akten (ca. 1860—1863 /1867, uraufgeführt 1868)
Libretto von Michel Carré und Jules Barbier nach der Tragödie von William Shakespeare
in der französischen Bearbeitung von Alexandre Dumas d. Ä. und Paul Meurice

Den triumphalen Erfolg seiner Shakespeare-Oper Hamlet verdankte Ambroise Thomas nicht zum geringsten Teil dem Protagonistenpaar der Pariser Uraufführung im März 1868: Die junge schwedische Sopranistin Christine Nilsson, die das romantische Bild der Ophelia als femme fragile ideal verkörperte, berückte in ihrer großen, koloraturreichen Wahnsinnsszene, während der Bariton Jean-Baptiste Faure der Vielschichtigkeit des Titelhelden eindrucksvoll gerecht wurde. Inspiriert von einer Handlung, die sich ganz auf Hamlets Rache und ihre Auswirkungen auf Ophelia konzentriert, bewies Ambroise Thomas neben seiner melodischen Erfindungsgabe erneut seine Fähigkeit, dramatische Konfronta­tionen ebenso überzeugend zu schildern wie atmosphärisch aufgeladene Szenen.

Musikalische Leitung: Bertrand de Billy
Philharmonia Chor Wien
Mozarteumorchester Salzburg
Besetzung: Stéphane Degout, Jean Teitgen, Julien Henric, Clive Bayley, Ève-Maud Hubeaux, Lisette Oropesa, und andere

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Trailer Salzburger Festspiele 2022
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Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele Sommer 2024
19. Juli - 31. August 2024


OPER

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Ereignisse / Festspiele Salzburger Festspiele Salzburg, Herbert von Karajan Platz 11
Ereignisse / Festival Lucerne Festival im KKL Luzern
Ereignisse / Festspiele Salzburger Pfingstfestspiele 17. bis 20.5.2024
Ereignisse / Festival Gstaad Menuhin Festival 12.7. bis 31.8.2024
Ereignisse / Messe ArtMuc 12. bis 14.4.2024
Ereignisse / Festival Brühler Schlosskonzerte 11.7. bis 25.8.2024
Ereignisse / Festival MDR Musiksommer 2. bis 31.8.2024
Ereignisse / Festspiele Tiroler Festspiele Erl im Festspielhaus Erl
Ereignisse / Festspiele Bregenzer Festspiele 17.7. bis 18.8.2024
Ereignisse / Tanz OsterTanzTage
Hannover
24.3. bis 1.4.2024
Ereignisse / Festspiele Händel-Festspiele Halle 24.5. bis 9.6.2024
Ereignisse / Festival Höri Musiktage Bodensee 17.2./3.3./24.3.2024
Ereignisse / Festival Bachfest Münster 17. bis 26.5.2024
Ereignisse / Blues Blues Festival Basel 17. bis 21.4.2024
Ereignisse / Festival Maerzmusik Berlin 15. bis 24.3.2024
Ereignisse / Theater Radikal Jung München 19. bis 27.4.2024
Ereignisse / Festival Festival Herbstgold Eisenstadt 11. bis 22.9.2024
Ereignisse / Festival Keys To Heaven
Piano Festival
26. bis 28.4.2024
Ereignisse / Festival Musikfest Berlin 24.8. bis 17.9.2024
Ereignisse / Festival Mülheimer Theatertage 4. bis 25.5.2024
Ereignisse / Festival Theatertreffen Berlin 2. bis 19.5.2024
Ereignisse / Tanz Dresden Frankfurt Dance Company Dresden / Frankfurt
Ereignisse / Festival Internationales Musikfest Hamburg 26.4. bis 16.6.2024
Ereignisse / Tanz Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Opernhaus Wuppertal
Ereignisse / Konzert Psalm Graz 24.3. bis 1.4.2024
Ereignisse / Festival Sommermusik im oberen Nagoldtal Oberes Nagoldtal
Aufführungen / Aufführung HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Karl-Liebknecht-Str. 56
Konzerte / Konzert Elbphilharmonie Hamburg Hamburg, Platz der Deutschen Einheit 4
Aufführungen / Oper Staatsoper Stuttgart Stuttgart, Oberer Schloßgarten 3
Ausstellungen / Ausstellung OK im OÖ Kulturquartier LINZ Linz, OK-Platz 1
Aufführungen / Oper Semperoper Dresden Dresden, Theaterplatz 2
Ausstellungen / Museum Pasquart Kunsthaus Centre d'Art Biel

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